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um den Bahnhof. Aber schließlich mußte man doch, wenn auch mit schwerem Herzen, verzichten, — die Soldaten wollten nicht mehr warten, sie Übergossen die noch erhaltenen Vorräte mit Petroleum und setzten sie in Brand. Bald donnerten die ersten Sprengungen durch den Speicher, und nun flüchteten auch die letzten Tapferen, die noch immer ihre Säcke gefüllt hatten. Sie mußten trauernd zuschauen, wie Waren im Werte von vielen Millionen in Flammen aufgingen. Freilich durften sie sich mit dem Bewußtsein trösten, daß sie sich mit Vorräten für einige Wochen, vielfach sogar für einige Monate hatten versorgen dürfen.

Der nachdenkliche Beobachter konnte hier, in den Lagerhäusern, mit Genugtuung konstatieren, daß der Menschheit, wenn sie sich ohne alle Konvenienzen gibt, Standes- und Klassenunterschiede fremd sind. Wie friedlich arbeitete und keuchte hier alles nebeneinander und durcheinander. Wie gern half der düstere Maximalist dem sanften Ordnungsparteiler das Päcklein aufachseln, wie rührend einheitlich wirkten Federhüte neben den weißen Tüchlein, der Schmierstiefel oder die Pastel neben dem englischen Chevreaustiefel! Ich überlasse das weitere Ausspinnen dieser Gedankengänge meinen Lesern …

Leider mußte dieses Idyll mit dem starken heroischen Einschlag von Kanonendonner und Explosionen ein Ende nehmen. Der Vorhang fiel über dem Zipfelchen unverfälschten Menschentums, das sich hier geoffenbart hatte …




Die Deutschen waren also da und waren zur rechten Zeit gekommen, denn wehe uns, wenn die Stadt über Nacht oder gar noch für einige Tage in der Gewalt der Marodeure und des plündernden Pöbels geblieben wäre! Freilich organisierten deutsche Kreise Selbstschutz, aber wie wirksam dieser hätte sein können, bleibt dahingestellt, denn man

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/153&oldid=- (Version vom 1.8.2018)