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unerwartet gekommen, andernfalls wäre den Deutschen nicht so überaus reiche Beute in die Hände gefallen. Sie fanden nicht nur in Riga volle Speicher vor, sondern hatten auch tagelang zu tun, um die Munitionskarren, Geschütze, Proviant und anderen Bedarf, der stellenweise die Ränder der Petersburger Chaussee berghoch bedeckte, zu sammeln und in Sicherheit zu bringen. Alles das deutet nicht nur auf den überraschenden deutschen Angriff und die Sorglosigkeit des russischen Oberkommandos, sondern auch auf die Unordnung des Abzuges und den panikartigen Charakter der Flucht der letzten Reste der XII. Armee, die ihren einstigen Ruhm revolutionären Hirngespinsten, die zu ihrer völligen Entartung führten, zum Opfer gebracht hatte.




Man darf nicht an einen feierlichen Einzug der Deutschen mit wehenden Fahnen, Musik, Ehrenjungfrauen und ähnlichem denken, die Feldgrauen waren einfach da und machten weder feierliche noch überraschte Mienen, sondern taten so, als ob es die einfachste Selbstverständlichkeit von der Welt gewesen wäre, daß sie plötzlich da waren.

Der feste Tritt der deutschen Nagelschuhe verscheuchte die Dämonen, die sich unserer alten Stadt hatten bemächtigen wollen, — sie verschwanden in ihren Schlupfwinkeln, aus denen sie später zum Teil wieder hervorkrochen, um sich gefangen zu geben, die weitaus meisten konnten sich aber ungestört daran machen, ihren Raub in Sicherheit zu bringen, hatten sie doch unter den bestehenden Verhältnissen kaum ernstliche Verfolgung zu befürchten.

Der Einzug der Deutschen verscheuchte aber nicht nur die Banden der Plünderer in Zivil und Uniform, sondern er nahm auch den schweren Druck von uns, unter dem wir seit Jahr und Tag gelitten hatten.

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/147&oldid=- (Version vom 1.8.2018)