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Verteidiger die Stadt betreten würden. Das war natürlich nur eine der wohlfeilen Phrasen, mit denen die revolutionären Blätter die Bevölkerung zu erfreuen pflegten. Es erwies sich demnach wieder einmal, daß ein fein und großzügig angelegter Operationsplan dem Elan, wenn man einen solchen bei der revolutionären russischen Armee überhaupt noch voraussetzen durfte, überlegen war.

Während der „Iskosol“ der XII. Armee sein bombastisches Pronunziamento veröffentlichte und höhere Stabsoffiziere noch am Sonntagabend der festen Überzeugung, daß man Riga unbedingt werde halten können, Ausdruck gaben, hatten die Deutschen das rechte Dünaufer bei Üxküll vertrommelt und vergast; sie hatten dann am 1. September zwischen Borkowitz und Dünhof drei Pontonbrücken über die Düna geschlagen, starke Truppenabteilungen hinübergeworfen und waren bis zum Kleinen Jägel vorgestoßen, wo sie sich festsetzten, Wie der amtliche deutsche Bericht besagt, ließ das russische Oberkommando Regiment nach Regiment zum Gegenangriff vorgehen, doch erwiesen sich alle Bemühungen und Opfer als vergeblich, die Deutschen waren aus ihren Stellungen nicht nur nicht zu verdrängen, sondern sie erreichten bereits am 2. September den Großen Jägel und nahmen am 3. September die Petersburger Chaussee unter starkes Artilleriefeuer.

Während die Masse der aufgelösten XII. Armee in kopfloser Flucht nach Nordosten, in der Richtung nach Wenden, drängte, wehrte sich die russische Nachhut mit verzweifeltem Mute gegen den andrängenden Feind, der unter ihr furchtbare Verheerungen anrichtete. Am 3. September nahmen die Deutschen Riga und Dünamünde ein.

Wenn auch in der letzten Zeit vor der Einnahme Rigas von zuständiger Seite wiederholt auf einen möglichen Übergang der Deutschen bei Üxküll oder Friedrichstadt hingewiesen worden war, so ist Ort, Stunde und Wucht des deutschen Angriffes dem russischen Oberkommando doch völlig

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/146&oldid=- (Version vom 1.8.2018)