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das auf diese Weise sein Mütchen an der besitzenden Klasse kühlen und sich gleichzeitig auf bequeme Weise bereichern konnte. Einiges hat freilich auch andere Wege genommen. Die Plünderer waren nicht immer imstande, die Waren, die aus den Läden geworfen wurden, fortzuschleppen, — vieles blieb liegen, und da geschah es denn, daß so manches von sehr gut gekleideten Frauen und Männern aufgelesen und fortgebracht wurde. Nehmen wir an, daß das unter der Suggestion des Augenblicks geschehen ist — man sah brauchbare oder gar kostbare Gegenstände herrenlos auf der Straße liegen und nahm sie an sich, ohne sich Rechenschaft darüber zu geben, daß man eine Ungesetzlichkeit beging und — marodierte.

Da hatten wir also die Bestätigung der erschütternden Vorgänge in Kalusz und Tarnopol; nein, doch nicht in vollem Umfange, denn die furchtbaren Vergehungen gegen Frauen und Mädchen, die sich russische Soldaten in jenen Städten hatten zuschulden kommen lassen, sind hier, soweit mir bekannt geworden, nicht beobachtet worden. Während meiner Streifereien durch die Stadt ist mir nichts derartiges aufgefallen, währenddessen begaben sich gerade Hunderte von Frauen zu dieser Zeit auf den Markt und in die Läden, um einzukaufen, — sie hatten ja keine Ahnung davon gehabt, wie es auf den Straßen aussah.

Die Plünderungen wären gewiß weiter ausgedehnt worden, wenn sich das Bombardement nicht verstärkt und in das Donnern der Granaten sich nicht das Krachen der Sprengungen gemischt hätte. Das mag die Banditen zur Eile gemahnt haben. Der letzte Eindruck, den ich von den abziehenden Plünderern mit mir nahm, bestand darin, daß ein Kosak mit dem Säbel in der Faust mich auf der Elisabethstraße anhielt und Geld verlangte. Einige Rubel, die ich in der Westentasche für derartige Fälle bereitgehalten hatte, wechselten den Besitzer und der Kerl eilte weiter, ohne sich erst mit Danksagungen aufzuhalten. Gegen 3 Uhr nachmittags

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/143&oldid=- (Version vom 1.8.2018)