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Deutschen, die jedoch im Süden vollauf beschäftigt seien und kaum größere Truppenmassen an die Rigasche Front werfen könnten, handle. Da keine Anzeichen dafür vorlagen, daß der Stab der XII. Armee besondere Maßnahmen zur Abwehr eines möglichen deutschen Angriffes getroffen hätte, so ist man wohl berechtigt anzunehmen, daß sowohl Parski, wie auch der Kommandierende der Nordfront Klembowski, die Situation nicht überschaut und die Gefahr erst dann erkannt hatten, als es schon zu spät und die entartete russische Soldateska bereits eine Beute panischen Schreckens geworden war. Diese Annahme wird dadurch befestigt, daß der Abzug der russischen Truppen aus Riga und von der nächstgelegenen Front zuletzt den Charakter einer ungeregelten Flucht annahm, daß in Riga und in der nächsten Umgebung große Vorräte von Nahrungsmitteln und Kriegsbedarf zurückblieben und nur zum Teil vernichtet werden konnten. Am Sonnabend, den 1. September, fühlte man sich trotz des beginnenden Bombardements der Stadt noch so sicher, daß in den Theatern Vorstellungen stattfanden.

Das Krachen der ersten deutschen Granaten hatte freilich das Oberkommando veranlaßt, die Reservetruppen und die Trains landeinwärts zu beordern, — sie waren am Sonnabend Abend in großer Eile abgezogen.

Die ersten deutschen Granaten waren in Schreienbusch und in der Moskauer Vorstadt gefallen und hatten nicht nur Sachschaden verursacht, sondern auch einige Menschenleben gekostet. Es dauerte nicht lange, da krepierten einige Granaten in der Petersburger Vorstadt; aus der Richtung, die die Geschosse nahmen, konnte man schließen, daß sie dem Dünaburger Bahnhof gegolten hatten und das Ziel entweder überflogen oder nicht erreicht hatten.

So nahe hatten wir den Krieg denn doch noch nicht gehabt. Das war etwas ganz anderes, als selbst das gewaltige Trommelfeuer, das Kuropatkin zu Anfang Juli 1916 an der Rigaschen Front hatte entwickeln lassen und

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)