Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/121

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Weibsbildlein, rundlich und rosig, mit Pausbäckchen, Karpfenmäulchen, Stumpfnäschen und blanken Spatzenaugen oder verträumten Guckerln, und man muß schon ein ganz verhärtetes Herz haben, wenn man dem wippenden und trippelnden Weibchen nicht mit Wohlgefallen nachschaut, wobei man, so ist nun einmal das Männerherz, am allerwenigsten an die heilige Mission dieser süßen Mädel denkt.

Ich wundere mich, Gott verzeih mir die Sünde, daß sich noch immer kein unternehmender Manager gefunden hat, der den Sestrizen-Typus für das Varieté ausnutzt. Das gäbe so etwas, wie die verflossenen Sisters Barrison. Vielleicht wäre die Nummer noch sündhafter … Doch ich will nicht lästern. Waren sie doch alle bei Kriegsbeginn ausgezogen voll heiligen Eifers und schöner Menschlichkeit, getrieben von jenem flammenden Impuls, der leider nur kurze Zeit vorhält, wie ein feiner Duft, von dem schließlich nur ein Bodensatz von Patchouli nachbleibt. Dem Impulse folgten Tausende und Abertausende von Frauen; man jubelte ihnen zu und feierte sie in der landesüblichen exaltierten Weise. Es wäre interessant, wenn statistisch nachgewiesen werden könnte, wie viele von den Sestrizen des Kriegsbeginnes bis zum Schlusse durchgehalten haben, doch muß man annehmen, daß eine derartige Statistik nie geliefert werden wird, denn einerseits ersticken die russischen Militärärzte ohnehin in Statistik, andererseits aber hätte sie allenfalls einen sittengeschichtlichen Wert, der den Fiskus wohl kühl lassen dürfte. Immerhin kann man nach Mitteilungen aus gut unterrichteten Quellen annehmen, daß der Bestand der Sestrizi sich während des Krieges ganz wesentlich verschoben hat, — während die einen gingen, kamen die anderen, kamen die gründlich durchgebildeten Schwestern von Beruf, kamen auch die sogen. Kriegsschwestern, die vielleicht einigen guten Willen, aber sehr wenig positive Kenntnisse mitbrachten.

Empfohlene Zitierweise:
Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/121&oldid=- (Version vom 1.8.2018)