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sich an eines der Abteile mit der Bitte, zusammenzurücken und der Dame, die das Stehen nicht vertragen kann, ein Plätzchen zu gewähren. Er predigt tauben Ohren, man tut im Abteil so, als ob er Luft wäre.

Der kleine nervöse Herr wendet sich nun an die Korridor-Plebejer mit einer Ansprache, die dahin geht, daß es nicht angängig sei, daß in den Abteilen nur je vier Menschen sich breit machen, während andere, die ihr Billett ebenso bezahlt, wie jene, stehen müßten. Gleiches Recht für alle, sagt der kleine nervöse Herr, und die Korridor-Plebejer murmeln Beifall.

Aber seine Rede macht auf die Abteil-Insassen nicht den geringsten Eindruck. Der dürre Herr in der Uniform irgendeines Ressorts blinzelt aus seinem Neste hervor und meint, es wäre angebracht, unruhige Leute, die aufwiegelnde Reden führen, auf Numero Sicher zu bringen.

Der Fettwanst murmelt Beifall; ein Oberst meint, es sei überhaupt ein Unfug, daß man während des Krieges Zivilisten die Benutzung der Eisenbahn gestatte, sie könnten zu Fuß gehen, die Eisenbahn müsse den Leuten vorbehalten bleiben, die ihr Blut für das Vaterland vergössen.

Irgend jemand sagt bissig, wenn man die Uniform der Intendantur trage, dann vergieße man allenfalls Ochsenblut, und wenn man auf Staatskosten in die nächste Stadt fahre, um seine Geliebte zu besuchen, dann sei es besser, den Schnabel zu halten.

Hierauf wird die Tür zum Abteil energisch geschlossen.

Im Korridor ist es unerträglich heiß. Dem Waggondiener, der beständig hin und her läuft, wird bedeutet, daß er sich einer seßhaften Lebensführung zu befleißigen habe, widrigenfalls er ausgesperrt werden würde.

Jemand hat ein höchst verdächtiges Abteil ausfindig gemacht. Man hört in diesem Abteil keinen Laut, es scheint unbesetzt. Da muß etwas dahinterstecken. Vielleicht haben

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/108&oldid=- (Version vom 1.8.2018)