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von der bärtigen Lippe des Gorodowoi, der das Schwert an der Seite trägt und Gewalt über uns hat.

„Aber erlauben Sie, da haben doch einige Herren …“

„Das sind die Herren Offiziere, die haben das Recht. Zurück! Nicht vordrängen! Reihe halten!“

In der Tat, da steht es schwarz auf weiß, daß die Herren Offiziere den Vortritt haben, sie brauchen nicht die einzelnen Wirbel des Saurierschwanzes zu bilden.

Ich frage mich, warum ich eigentlich meinen Beruf verfehlt habe und nicht Herr Offizier der kaiserlich russischen Armee geworden bin. Ich frage mich, wie es wohl kommen mag, daß so unendlich viele Herren Offiziere auf der Eisenbahn herumkarren, denn einer nach dem anderen tritt an den Schalter heran, während der Schwanz wächst und sich schon um die nächste Straßenecke schlingt. Ich frage mich, warum jene holde Dame dem Offizier, der ihr etwas überreicht, so süß zulächelt, ach, so süß … Da sehe ich, daß der Herr Offizier für die Dame ein Billett besorgt hat, und nun verstehe ich, warum sie so süß gelächelt. Ich verstehe mit einemmal Verschiedenes.

Wer hilft in allen Nöten und steht den Ratlosen bei? Das ist der Bahnhofsportier! Der Bahnhofsportier bleibt sich überall gleich, er befinde sich wo er wolle, in Sidney, Moskau, Wien oder Madrid, überall ist er stets auf dem Laufenden und zu Diensten bereit.

Da steht er mächtig, mit wehendem Bart. Auf der Brust glitzern die Kreuze und Medaillen. Er steht bolzgerade vor dem Offizier, dem er eine Auskunft erteilt. Ein Prachtkerl, das Urbild eines strammen, dienstfertigen Unterbeamten. Der Offizier geht, nun kann ich mich an den Mann wenden.

„Portier, wie kommt man zu einem Billett nach Petersburg?“

„Erster oder zweiter, zu welchem Zuge?“

Empfohlene Zitierweise:
Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)