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wirft. Der Bräutigam der Königstochter sucht den Jüngling durch giftige Speisen umzubringen, doch seine Tiere entdecken den Verrat. Hernach wird er von der Hexe in Stein verwandelt, aber der andere Bruder zwingt diese, das Mittel zu sagen, das jenem das Leben wiedergibt; unter einem Stein nämlich liegt eine böse Schlange, die an dem ganzen Zauber schuld ist; diese muß er in Stücke hauen, am Feuer braten und mit ihrem Fett den versteinerten Bruder bestreichen.

Dagegen eine sechste Erzählung aus Zwehrn (vor 1822) hat wieder viel Besonderes; ihr fehlt jener Eingang, sie weiß auch nichts von zwei Brüdern. Drei arme Schwestern nähren sich von drei Ziegen, die ihr Bruder hüten muß. Draußen begegnet diesem einmal ein Jäger mit drei schönen Hunden; und weil der Junge so große Freude daran hat, tauscht er sich für eine Ziege einen Hund ein, der heißt Haltan. Als er heimkommt, jammern die Schwestern; dennoch kann er der Lust nicht widerstehen und tauscht den andern Tag noch einen Hund, der Greifan heißt, und am dritten Tag den letzten, namens Bricheisenundstahl, gegen die Ziegen ein. Nun gibt ihm der Jäger noch Büchse, Hirschfänger, Pulverhorn und Ranzen dazu; er zieht in die Welt, Hase, Reh und Bär werden seine Diener. Er kommt darauf in einen Wald und darin zu einem kleinen Haus, worin eine alte Frau sitzt. Sie spricht zu ihm: ‘Bleib nicht hier! Es ist die Wohnung von zwölf Spitzbuben, die bringen dich um.’ Er antwortet: ‘Ich fürchte mich nicht, ich verlaß mich auf mein Getier’. Da stellt er den Hasen ans Fenster, Reh und Bär hinter die Stubentür, die drei Hunde in den Stall. Die Räuber kommen, stellen sich freundlich und heißen ihn mit essen. Sie setzen sich zu Tisch, die Räuber legen die Spitzen der Messer umgekehrt gegen sich, der Jäger von sich, wie sichs gehört. Sprechen die Räuber: ‘Warum legst du dein Messer nicht wie wir?’ – ‘Ich legs wie ein Jäger, ihr aber legts wie Spitzbuben’.[1] Sie springen auf und wollen ihn umbringen, da klopft der Has ans Fenster; alsobald öffnet das Reh die Türe, und die drei Hunde dringen herein und der Bär auch und zerreißen die zwölf Spitzbuben. Nun zieht der Jäger weiter, kommt in die Stadt, die den ersten Tag mit weißem, den zweiten mit rotem, den dritten mit schwarzem Tuch überzogen ist. Er tötet den Drachen mit seinen


  1. Löffel und Gabel verkehrt legen ist im Odenwälder Märchen bei Wolf, Hausmärchen S. 67. 69 Erkennungszeichen einer Räuberbande.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_533.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)