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Hündlein gehen zusammen und kommen auf der Landstraße an eine Fahrgleise; da kann das Hündlein nicht wie das Vöglein darüber. Und weil gerade ein Fuhrmann mit Weinfässern daherhommt, so bittet ihn das Vöglein, dem Hündlein darüber zu helfen; aber der bekümmert sich nicht darum und fährt das arme Tier tot. Nun rächt sich das Vöglein. – Der Schluß hier ist aus der zweiten hessischen Aufzeichnung genommen.

Aus Böhmen bei Vernaleken nr. 6 ‘Der Hund und die Ammer’; aus Hannover in der Zeitschrift Niedersachsen 1, 87 (1896) ‘Der Specht und der Windhund’ (der Hund tötet den Fuchs und verlangt dafür vom Specht Essen, Trinken und Lachen). Entstellt scheint ein posensches Märchen bei Knoop, Volkstümliches aus der Tierwelt 1905 S. 30 nr. 265 ‘Die Lerche und der Wolf’ und ein siebenbürgisches bei Haltrich ⁴ nr. 81 = Haltrich, Zur Volkskunde 1885 S. 57 nr. 21 ‘Der Fuchs und die Meise’, wo der Vogel nicht dem befreundeten Hunde, sondern aus Angst um seine Jungen dem unverschämten Wolf oder Fuchs Essen, Trinken und Lachen verschafft[1], der Fuchs aber vor Lachen über die geneckten Drescher vom Dachbalken unter diese fällt und Schläge bekommt. Denn in dem mhd. Gedichte ‘Des hundes nôt’ (Grimm, Reinhart Fuchs 1834 S. 291) ist es wiederum der hungrige Hund, der von der Lerche Essen und Lachen erbittet und erhält, aber von den Dreschern übel zugerichtet wird; als er nun einen Arzt begehrt und die Lerche den Wolf herbeiruft, ist er rasch genesen und entläuft[2]. Noch deutlicher zeigt die ausführliche Fassung im französischen Roman de Renart, branche 11, v. 761 (1, 411 ed. Martin. Sudre, Les sources du roman de R. 1892 p. 301), wie das siebenbürgische Märchen früher gelautet hat. Der Sperling Droïn schwört dem Fuchse Rache, der seine Jungen verzehrt hat, statt sie versprochenermaßen zu taufen, und findet einen Helfer in dem halbverhungerten


  1. Im oldenburgischen (Strackerjan ¹ 2, 94 = ² 2, 152) und oberpfälzischen Märchen (Birlinger, Nimm mich mit S. 218. Bechstein, Märchenbuch 1874 S. 120) verschafft der Hase auf gleiche Weise, indem er sich nämlich vor dem des Weges kommenden Bäckermädchen lahm stellt, dem Fuchse Brot. Ebenso der Fuchs dem Wolfe im Ysengrimus 1, v. 179 und im Reinhart Fuchs v. 449 ed. Reissenberger.
  2. Vgl. dazu K. v. Bahder, Germania 31, 103 und Reissenberger, Xenia Austriaca zur 42. Philologenversamlung 1893 2, 1–39. Kolmačevskij, Životnyj epos na zapadě 1882 p. 152. Gerber, Great russian animal tales p. 61 nr. XVIII.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_517.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)