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drei ihr Lager teilende Feen[1] einen Glückssäckel, Zauberteppich und ein Soldaten herbeirufendes Horn überreichen. Während zwei von ihnen in Rom bleiben, zieht Biagio, der Besitzer des Säckels, nach Spanien, wo die junge Königin beim Schachspiel ihm unter Liebesversicherungen das Kleinod abschwatzt und dann die Tür weisen läßt. Er kehrt, nachdem er sich von seinen Freunden daheim den Teppich und das Horn erbeten, ein zweites und drittes Mal wieder und verliert, von den heuchlerischen Worten der Königin betört, auch diese Geschenke der Feen. Verzweifelt umherirrend genießt er von den Früchten eines Feigenbaumes, da wächst ihm ein Eselschwanz, der bei jeder Feige eine Spanne länger wird; doch findet er bald andre Feigen, deren Genuß die Mißgestalt tilgt. Nun verkauft er der Königin und ihren Dienerinnen von den ersten Früchten und tritt, nachdem er von einem Arzte einen roten Talar, ein Pferd und Diener geliehen, als großer Heilkundiger auf. Als er die beiden Zofen glücklich kuriert hat, bescheidet ihn die Königin zu sich, und wie seine Feigenlatwerge ihren Schwanz bis auf zwei Spannen verkürzt hat, zeigt sie ihm ihre Schatzkammer und darin die drei Wunschdinge. Da ergreift er diese und fährt schnell davon zu seinen Gefährten.

Auf dies Gedicht scheint die französische ‘Histoire du prince Tangut et de la princesse au pied de nez’ in den angeblich aus dem Arabischen übersetzten ‘Aventures d’Abdalla fils d’Hanif’ von Jean Paul Bignon 1713 1, 231 (= Cabinet des fées 12, 460–494. Cosquin 1, 127. R. Köhler 1, 587. Chauvin, Cbl. f. Bibliothekswesen 17, 318. Englisch 1729. Deutsch 1731) zurückzugehen, nur daß Tangut und seine beiden Brüder Beutel, Horn und Gürtel in einer Höhle finden, die ihr Vater Aboucaf sterbend ihnen bezeichnet hatte, und daß die Feigen bei ihm und der betrügerischen Prinzeß Dogandar die Nase jede um einen Fuß verlängern. Aus Bignon schöpft sowohl La Harpe sein Gedicht ‘Tangu et Felime, ou le pied de nez’ (1780) als auch Fr. Hildebrand v. Einsiedel seine Erzählung ‘Die Prinzessin mit der langen Nase’ (Wielands Dschinnistan 3, 54–89. 1789) und ein Anonymus in der Zeitschrift


  1. Drei Feen erscheinen gabenverleihend z. B. in den italienischen Märchen bei Basile 1, nr. 3 und 3, nr. 10. In den oben angeführten Erzählungen werden bisweilen die Talismane von verzauberten und erlösten Jungfrauen gegeben (Schambach S. 310. Wolf S. 340. Campbell nr. 10. Cosquin 1, 123. Hrinčenko 2, 253. Aarne S. 115).
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 484. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_484.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)