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länger als dir; aber halt dich fest!’ Da nahm er von den Äpfeln, ging an den Königshof und gab sich für einen Gärtnerbursch aus und sagte, er hätte eine Art Äpfel, wie in der Landschaft keine wüchsen. Wie die Prinzessin aber hörte davon, bat sie ihren Vater, er sollt ihr einige von diesen Äpfeln kaufen; der König sprach: ‘Kauf dir, soviel du willst!’ Da kaufte sie und aß einen, der schmeckte ihr so gut, daß sie meinte, sie hätte ihr Lebtag keinen so guten gegessen, und aß dann noch einen; wie das geschehen war, machte der Arzt [?] sich fort. Da fing ihr die Nase an zu wachsen und wuchs so stark, daß sie vom Sessel nicht aufstehen konnte, sondern umfiel. Da wuchs die Nase sechzig Ellen um den Tisch herum, sechzig um ihren Schrank und dann durchs Fenster hundert Ellen ums Schloß, und noch zwanzig Meilen zur Stadt hinaus. Da lag sie, konnte sich nicht regen und bewegen, und wußte ihr kein Doktor zu helfen. Der alte König ließ ausschreiben, wenn sich irgend ein Fremder fände, der seiner Tochter womit helfen könnte, so sollt er viel Geld haben. Da hatte nun der alte Soldat drauf gewartet, meldete sich als Doktor: so es Gottes Wille wäre, wollt er ihr schon helfen. Darauf gab er ihr Pulver von den Äpfeln, da fing die Nase an von neuem zu wachsen und ward noch größer; am Abend gab er ihr Pulver von den Birnen, da ward sie ein wenig kleiner, doch nicht viel. Am andern Tag gab er ihr wieder Äpfelpulver, um sie recht zu ängstigen und zu strafen, da wuchs sie wieder, viel mehr als sie gestern abgenommen hatte. Endlich sagte er: ‘Gnädigste Prinzessin, Sie müssen einmal etwas entwendet haben; wenn Sie das nicht herausgeben, hilft kein Rat.’ Da sagte sie: ‘Ich weiß von nichts’. Sprach er: ‘Es ist so, sonst müßt mein Pulver helfen, und wenn Sie es nicht herausgeben, müssen Sie sterben an der langen Nase’. Da sagte der alte König: ‘Gib den Beutel, den Mantel und das Horn heraus, das hast du doch entwendet, sonst kann deine Nase nimmermehr kleiner werden’. Da mußte die Kammerjungfer alle drei Stücke holen und hinlegen, und er gab ihr Pulver von den Birnen, da fiel die Nase ab und mußten 250 Männer kommen und sie in Stücken hauen. Und er ging mit dem Beutelchen, dem Mantel und dem Horn fort zu seinen Kameraden, und sie wünschten sich wieder in ihr Schloß; da werden sie wohl noch sitzen und Haus halten.

Aus Tirol bei Zingerle 2, 73 ‘Vom reichen Ritter und seinen Söhnen’ (Pfeifchen, Hütlein, Ring; Birnen) und 2, 142 ‘Beutel, Hütlein und Pfeiflein’ (Äpfel des Klausners lassen Hörner wachsen). Heanzisch bei Bünker S. 219 nr. 79 = Zs. f. Volksk. 8, 415 ‘Der König vom Rosenberg’ (Säbel, Tüchlein, Beutel; Birnen). Aus Waldeck bei Curtze S. 34 nr. 5 ‘Die lange Nase’ (drei Soldaten erhalten Stock, Geldbeutel, Trompete; Äpfel und Birnen). Aus dem Oberharz bei Ey S. 48 ‘Die lange Nase’ (Beutel, Wurzel, Däumling;

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_473.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)