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herausgeben, eh sie sich so großes Unglück auf den Hals lüden, sie hörte aber nicht darauf und sprach, sie wollt erst noch etwas versuchen. Da zog sie sich an wie ein armes Mädchen, nahm einen Henkelkorb an den Arm und ging hinaus ins Lager, allerlei Getränk zu verkaufen, und ihre Kammerjungfer mußte mitgehen. Wie sie nun mitten im Lager ist, fängt sie an zu singen so schön, daß die ganze Armee zusammenläuft aus den Zelten, und der das Horn hat, läuft auch heraus und hört zu, und wie sie den sieht, gibt sie ihrer Kammerjungfer ein Zeichen, die schleicht sich in sein Zelt, nimmt das Horn und läuft mit ins Schloß. Dann ging sie auch wieder heim und hatte nun alles, und die drei Kameraden mußten wieder betteln gehen.

Also zogen sie fort, da sprach der eine, der den Beutel gehabt hatte: ‘Wißt ihr was? Wir können nicht immer beisammen sein; geht ihr dort hinaus, ich will hier hinaus gehen.’ Also ging er allein und kam in einen Wald, und weil er müd war, legte er sich unter einen Baum, ein wenig zu schlafen. Wie er aufwachte und über sich sah, da war es ein schöner Apfelbaum, unter dem er geschlafen, und hingen prächtige Äpfel daran. Vor Hunger nahm er einen, aß ihn und dann noch einen. Da fängt ihm seine Nase an zu wachsen und wächst und wird so lang, daß er nicht mehr aufstehen kann; und wächst durch den Wald und sechzig Meilen noch hinaus. Seine Kameraden aber gingen auch in der Welt herum und suchten ihn, weil es doch besser in Gesellschaft war, sie konnten ihn aber nicht finden. Auf einmal stieß einer an etwas und trat auf was Weiches; Ei! was soll das sein, dachte er, da regte es sich und war es eine Nase. Da sprachen sie: ‘Wir wollen der Nase nachgehen’ und kamen endlich in den Wald zu ihrem Kameraden, der lag da, konnt sich nicht rühren noch regen. Da nahmen sie eine Stange und wickelten die Nase darum und wollten sie in die Höhe heben und ihn forttragen, aber es war zu schwer. Da suchten sie im Wald einen Esel, darauf legten sie ihn und die lange Nase auf zwei Stangen und führten ihn fort, und wie sie ein Eckchen weit gezogen waren, war er so schwer, daß sie ruhen mußten. Als sie so ruhten, sahen sie einen Baum neben sich stehen, daran hingen schöne Birnen; und hinter dem Baum kam das kleine rote Männchen hervor und sagte zu dem Langnasigen, er sollte eine von den Birnen essen, so fiel ihm die Nase ab. Da aß er eine Birne, und alsbald fiel die lange Nase ab, und er behielt nicht mehr, als er zuvor hatte. Darauf sagte das Männchen: ‘Brich dir von den Äpfeln und Birnen ab und mach Pulver aus jedwedem! Wem du von dem Apfelpulver gibst, dem wächst die Nase, und wenn du dann von dem Birnpulver gibst, so fällt sie wieder ab; und dann reise als Arzt und gib der Prinzessin von den Äpfeln und dazu auch von dem Pulver, da wächst ihr die Nase noch zwanzigmal

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 472. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_472.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)