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53. Sneewittchen. 1856 S. 87.

1812 nr. 53 nach Hassenpflugs und Siebert in Kassel; 1819 stilistisch gebessert, auch ist die Verfolgerin Sneewittchens hier seine Stiefmutter, nicht die rechte Mutter.

Dies Märchen gehört zu den bekanntesten; doch wird in Gegenden, wo bestimmt Hochdeutsch herrscht, der plattdeutsche Name beibehalten oder auch verdorben in Schliwitchen. Im Eingang fällt es mit dem Märchen vom Machandelbaum (nr. 47) zusammen, noch näher in einer andern Erzählung, wo sich die Königin, indem sie mit dem König auf einem Jagdschlitten fährt, einen Apfel schält und dabei in den Finger schneidet. – Noch ein andrer Eingang ist folgender: Ein Graf und eine Gräfin fuhren an drei Haufen weißem Schnee vorbei; da sagte der Graf: ‘Ich wünsche mir ein Mädchen so weiß als dieser Schnee’. Bald darauf kamen sie an drei Gruben rotes Blut; da sprach er wieder: ‘Ich wünsche mir ein Mädchen so rot an den Wangen wie dies Blut’. Endlich flogen drei schwarze Raben vorüber; da wünschte er sich ein Mädchen ‘mit Haaren so schwarz wie diese Raben’. Als sie noch eine Weile fuhren, begegnete ihnen ein Mädchen so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie die Raben, und das war das Sneewittchen. Der Graf ließ es gleich in die Kutsche sitzen und hatte es lieb, die Gräfin aber sah es nicht gern und dachte nur, wie sie es wieder los werden könnte. Endlich ließ sie ihren Handschuh hinausfallen und befahl dem Sneewittchen, ihn wieder zu suchen; in der Zeit aber mußte der Kutscher geschwind fortfahren. Nun ist Sneewittchen allein und kommt zu den Zwergen usw. – In einer dritten Erzählung ist bloß abweichend, daß die Königin mit dem Sneewittchen in den Wald fährt und es bittet ihr von den schönen Rosen, die da stehen, einen Strauß abzubrechen. Während es bricht, fährt sie fort und läßt es allein. – In einer vierten wird erzählt, daß Sneewittchen nach seinem Tode von den Zwergen sollte verbrannt werden. Sie wickeln es in ein Tuch, machen einen Scheiterhaufen unter einen Baum und hängen es in Stricken darüber. Wie sie eben das Feuer anstecken wollen, kommt der Königssohn, läßt es herabholen und nimmt es mit sich in den Wagen. Vom Fahren springt ihm das Stück des giftigen Apfels aus dem Hals, und es wird lebendig. – Eine fünfte Erzählung (von der Marie

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_450.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)