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Teufel wie von ärztlicher Tätigkeit; hier verheißt der Tod seinem Gevatter nur, ihn nicht zu holen, als bis er ein Vaterunser gesprochen. Auf den Arzt, der den Tod zum Gevatter hatte, spielt an J. C. Ettner, Des getreuen Eckharts unwürdiger Doctor 1697 S. 190. Mit einer eigentümlichen Abweichung erzählt die Fabel J. Prätorius (Der abenteuerliche Glückestopf 1669 S. 147 = Zs. f. Volkskunde 4, 40); nicht der Vater, sondern das neugeborene Kind, das in den bisher erwähnten Fassungen keine Rolle spielte, empfängt die Doktorgabe; zu Anfang treten Teufel und Herrgott auf, es fehlt aber der Schluß.

Zu rascher Kennzeichnung der jüngeren Aufzeichnungen benennen wir die Hauptmotive: A¹. Ein armer Mann bittet den Tod zu Gevatter, den er für gerechter als Gott und Teufel erklärt. – B¹. Er oder sein Sohn erhält die Gabe, den am Kopf- oder Fußende des Bettes stehenden Tod zu erblicken und danach den Verlauf der Krankheit zu bestimmen. – C¹. Der Arzt betrügt den Tod durch Innehalten im letzten Vaterunser[1] oder durch Umkehren des Bettes. – D¹. Der Tod rächt sich, indem er ihn zum Vollenden des Gebetes bewegt oder sein Lebenslicht, das er ihm in der Lichterhöhle zeigt, auslöscht.

Deutsch: Aurbacher, Ein Volksbüchlein ³ 1879 (zuerst 1827), 1, 119 ‘Gevatter Tod’ (A¹˙² B² C² D²). Bechstein 1845 S. 88 = 1874 S. 79 ‘Gevatter Tod’. Holczabek-Winter, Sagen der Stadt Wien 1895 S. 32. Vernaleken nr. 42 ‘Der Kropfige’ (B¹ C²). Germania 29, 414 ‘Der Fährmann und der Tod’ (B¹). Schönwerth 3, 12 ‘Gevatter Tod’ (A¹ B¹ C² D²). Birlinger, Aus Schwaben 2, 372 ‘Der Gevattersmann’ (A¹˙² B¹ C²). Wolf, Hausmärchen S. 365 ‘Das Schloß des Todes’ (A¹ B² C²˙¹). Herrlein, Sagen des Spessarts 1885 S. 323 ‘Der Weber und der Tod’ (A¹ B¹ C² D²). Pröhle, KVM. S. 54 nr. 13 ‘Gevatter Tod’, vgl. S. XXVIII (A¹ B² C² D²). Mitt. d. schles. Ges. f. Volksk. 2, 102 = Kühnau 2, 524 nr. 1156 ‘Der Gevatter Tod’ (A¹ B¹ C² D²). Kühnau 2, 529 nr. 1162 ‘Der Tod als Gevatter’ (A¹ B¹ C²). Wisser 1, 82 ‘De gerech Valler’ = Heimat 1901, 118


  1. Ebenso äfft bei Haase, Sagen der Grafschaft Ruppin 1887 nr. 103 ein Bauer den Teufel, der ihn nach Ablauf des Paktes holen will; der Teufel verwandelt sich in einen Jungen, der vom Bauern das Vaterunser lernen möchte. – Ein Gläubiger will warten, bis seines Schuldners Bart vollends geschoren sei (Wickram, Werke 3, 367 zu R. 18); Harmosan soll nicht eher getötet werden, als bis er den Becher ausgetrunken hat (Chauvin 6, 72).
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_381.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)