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In einer ansehnlichen Gruppe südslavischer Volkslieder verursacht die Schwägerin oder auch die Stiefmutter die Verstümmelung des Mädchens (Máchal, O bohatýr. epose slov. S. 56. Maretić, Die Helden und Ereignisse am Amselfeld S. 28, aus dem Rad der südslav. Akademie 97). Da die Schwägerin bei der Frau des andern Bruders keine Unterstützung gegen die Heldin findet, so tötet sie das Pferd, den Falken, ja das eigne Kind und beschuldigt die Jungfrau dieser Untaten. Ergrimmt läßt ihr Mann die Schwester von Pferden zerreißen, vollzieht aber, als die Lüge der bösen Frau an den Tag kommt, an ihr dieselbe Strafe. So berichtet ein serbisches Lied bei Vuk St. Karadžić 1, 15 nr. 5 (1887); Petranović 2, 53 nr. 7; Hrvatske narodne pjesme 1, 125 nr. 41–43; aus Krain bei Šašelj 1, 43 nr. 11. In den südöstlichen Fassungen handeln die Frauen beider Brüder im Einverständnis gegen deren Schwester; so bei Jastrebov, Obyčaji i pěsni tureckich Serbov S. 54, in den bulgarischen Volksliedern der Brüder Miladinovci S. 68 nr. 55, bei Verković, Nar. pesme maked.-bugara S. 311 nr. 287; Kačanovskij, Pamjatn. bulgar. nar. tvorčestva S. 181 nr. 88–89; Period. Spis. 16, 162; Bǎlgarski nar. pêsmi iz I. Bogorovia Knižatnik 1879 S. 12 nr. 13 (die Brüder meinen, ein Kind würden sie gewiß wieder bekommen, eine Schwester aber nicht); Čolakov, Bǎlgar. nar. sbornik S. 273 nr. 16. In dem serbischen Liede bei Petranović, Srpske nar. pjesme 2, 117 nr. 14 (Popović S. 94. Maretić S. 38. Máchal S. 60) verstümmelt die zweite Frau Kaiser Stefans ihre Stieftochter Mara, um ihre eigne Tochter mit deren Verlobten, dem Vezier Lazar, zu vermählen; Lazar aber findet auf der Jagd die händelose Mara in einer Höhle und vermählt sich mit ihr; als der Kaiser wieder aus dem Kriege heimkehrt, läßt er die böse Gattin und deren Tochter von Pferden zerreißen.

Čechisch bei Němcová, N. bách. 3, 106 nr. 43 ‘Die böse Mutter’ (A⁴ B C³ D E. Maria und Jesus heilen). Aus Mähren bei Kulda 3, 262 nr. 40 (A¹ B C² D E. Sie hält ein Gasthaus, wo jeder seine Erlebnisse erzählen muß). Tille nr. 48 (Národopisný Sborník 8, 85. A⁴ B C³ D E. Gasthaus). Český Lid 8, 322 nr. 24 (eigentlich die neidischen Schwestern, R. Köhler 1, 565. Die hl. Anna sendet den ältesten Knaben ins Schloß, um dem Vater die Geschichte zu erzählen). Radostov 1, 49 nr. 6 (ähnlich der Manekine; doch findet bei der Flucht vor dem Vater keine Verstümmelung statt). In einer Erzählung von J. S. Tomíček (Květy 1842, 21. Tille, Č. poh.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_306.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)