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In den Volksmärchen finden wir Berührungen mit den Erzählungen vom Marienkind (3), von Brüderchen und Schwesterchen (11), von Sneewittchen (53), den neidischen Schwestern (96); und die Motive des mittelalterlichen Romans sind nicht selten abgeändert:

A. Der Heldin werden die Hände abgehauen, weil sie (A¹) nicht ihren Vater heiraten will, oder (A²) weil dieser sie dem Teufel verkauft hat, (A³) ihr das Beten verwehren will, (A⁴) weil die Mutter auf sie eifersüchtig ist, (A⁵) ihre Schwägerin sie beim Bruder verleumdet hat. – B. Ein König findet sie im Wald (Garten, Stall, Meer) und macht sie zu seiner Gattin trotz ihrer Verstümmlung. – C. Sie wird zum zweitenmale mit den neugeborenen Kindern verstoßen, weil (C¹) die Schwieger, (C²) ihr Vater, (C³) ihre Mutter, (C⁴) Schwägerin oder (C⁵) der Teufel einen Brief des Königs gefälscht hat. – D. Sie erhält im Walde durch ein Wunder ihre Hände wieder. – E. Wird vom Gatten wieder aufgefunden.

Dänisch nach Grimm bei Molbech 1843 S. 258 ‘Pigen uden Hænder’. Grundtvigs hsl. Register nr. 46 ‘Pigen uden hænder’. Einzeldruck: Tvende Historier, 1: Pigen uden Hænder. Kjøbenhavn, Behrend’s Enke 1849. 12 S. 8°. Wiederholt Hjørrring, Petersen o. J. 16 S. – Schwedisch nach Grimm: Historia om Flickan utan händer, Stockholm 1827 u. ö. (Bäckström, Folkböcker 3, 108). Åberg nr. 110 und nr. 253 ‘Mölnardótron’. – Schottisch bei Campbell¹ 3, 421 = 2. Aufl. 2, 439 (A⁴ B C D E). – Irisch bei Kennedy, Legendary fictions p. 32 = Knortz 1886 S. 96 ‘Die böse Stiefmutter’ (A⁴ B C³ D E). – Französisch bei Sébillot, Contes 1, 105 nr. 15 ‘La fille aux bras coupés’ (A⁴ B C¹ D E. Die Stiefmutter stößt sich bei der Aussetzung einen Dorn ins Knie; eine Elster bringt der Heldin Speise) und 2, 213 nr. 39 ‘La fillle aux bras coupés’ (A² B C D. Ein Hund bringt Speise). Revue des trad. pop. 9, 180 nr. 17 ‘La fille aux mains coupés’ (C D. Die Frau findet einen Beutel Geld und errichtet ein Wirtshaus); 9, 181 nr. 18 ‘La fille aux bras coupés’ (A² B C D); 19, 557 ‘La fille aux mains coupées ou l’hôtesse du dragon vert’ und 23, 235 ‘La fille aux bras coupés’. Luzel, Lég. chrét. 2, 244 ‘La bonne femme et la méchante femme’ (A⁵ B C⁴ D. Einleitung wie im Petit poucet Perraults). Fleury p. 151 ‘La fille sans mains’ (A⁴ B C D). Cosquin 2, 323 nr. 78 ‘La fille du marchand de Lyon’ (A⁴ B C D. Lösung durch einen Bericht der als Mann verkleideten Heldin. Die Verstümmlung der Hände wird nicht erwähnt). Bladé, Armagnac p. 55 = Gascogne 2, 126

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_302.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)