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Jäger. Sie gab ihm zu verstehen, daß sie Hunger hätte und er sie aufnehmen möchte. Der Jäger hätte es gerne getan, er wußte aber nicht, wo er sie hinbringen sollte; endlich brachte er sie in den Hundestall, wo die zwei Lieblingshunde des reichen Grafen lagen, bei dem er diente. In dem Ställchen blieb sie zwei Jahre lang und aß und trank mit den Hunden. Nun merkte der Graf, daß seine Hunde so mager wurden, und fragte den Jäger um die Ursache; da gestand er, daß er ein Mädchen aufgenommen habe, das mit den Hunden das Essen und Trinken teile. Sprach der Graf, er solle es vor ihn bringen, aber das Mädchen wollte nicht; da ging er selbst hinab in den Stall und sah es und sprach: ‘Es soll zu mir ins Schloß, ich will es erziehen.’ Da war es neun Jahr alt. Es trug sich zu, daß, als es einmal vor der Türe stand, ein armer greiser Mann daher kam und um eine milde Gabe bat. Es schenkte ihm etwas, da sprach er: ‘Du sollst deine Zunge und deinen Arm wieder haben’, und gab ihm einen Stab und sagte: ‘Nimm diesen Stab und geh gerade fort! Er wird dich vor Bösem schützen und dir den Weg zeigen.’ Da nahm es den Stab und ging fort ein paar Jahre lang. Es gelangte zu einem Wasser und trank daraus, da kam seine Zunge geschwommen und wuchs fest in dem Munde; es hielt den abgehauenen Stumpf ins Wasser, da kam der Arm und wuchs fest, und darnach auch die Hand. Nun nahm es den Stab und ging wieder zurück zum Grafen; aber es war so schön geworden, daß er es nicht mehr erkannte. Da gab es sich zu erkennen, und sie wurden Eheleute.

Eine fünfte Fassung aus Hessen (von Bauer erhalten) stimmt zu dem Volksbuche von der geduldigen Helena; die Königin wird mit zwei Kindern verstoßen und ihr werden zwei Finger abgeschnitten, welche die Kinder bei sich tragen. Die Kinder werden ihr von Tieren geraubt und dienen als Küchenjungen, die Mutter als Waschfrau.

Aus Baden bei Baader, Neugesammelte Volkssagen 1859 nr. 131 ‘Tochter dem Teufel verschrieben’ (ähnlich Grimm). – Aus dem Elsaß bei Martzohl, Jahrb. f. Gesch. Elsaß-Lothringens 18, 209 ‘Mariannchen’ (Mutter eifersüchtig. Von wem die Briefvertauschung ausgeht, wird nicht gesagt. Petrus und Lazarus geben die Hände wieder). Peters, Aus Lothringen S. 7 ‘Der Graf und die Müllerstochter’ (die eigne Mutter bewirkt durch Vertauschung der Briefe, daß der Heldin Arme und Zunge abgeschnitten werden). Aus Meran bei Zingerle 2, 124 ‘Die schöne Wirtstochter’ (die eigne

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_297.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)