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138 (Monseur, Bull. 3, 41) und bei Jacottet, Contes pop. des Bassoutos p. 47. – Statt des Vogels, der auch in andern afrikanischen Märchen[1] die Untat offenbart und an die unten nr. 47 folgende Erzählung vom Machandelbaum erinnert, verraten bei Chatelain, Folk-tales of Angola p. 126 nr. 12 die beiden Hunde des Erschlagenen Mutelembe und Nguaga durch ein Lied den Mord und erstehen, als der Bruder sie tötet, immer wieder zum Leben. – In einem Tiermärchen der Betschuanen (Casalis, Études sur la langue séchuana 1841 p. 100 = Casalis, Les Bassoutos 1859 p. 366 = Ausland 1841, 79 = Kletke, Märchensaal 3, 389 = Bleek, Reineke Fuchs S. 77; Revue des trad. pop. 2, 368) wird dagegen die Tat des Hasen, der den Springhasen hinterlistig verleumdet und zu Tode gebracht hat, nicht wider seinen Willen durch den singenden Knochen des Hingerichteten kund, sondern der Hase rühmt selber seine Schlauheit: ‘Dies Flötchen ist aus dem Bein des Springhasen gemacht. Häschen, was bist du geschickt! Springhase, was bist du dumm!’ – Die singende Grabespflanze, die in europäischen Fassungen vorkommt, begegnet auch in Dahomeh (P. Bouche, La côte des esclaves et le Dahomey 1885 p. 231 = Ellis, The Yoruba-speaking peoples 1894 p. 134) und im Kongostaat (Volkskunde 20, 114: Mpala); ein Pilz, den die Mutter pflücken will, ruft: ‘Mutter, reiß mich nicht ab! Ich war bei meinen Freunden, sie gaben mir zweitausend Kauris; meinem Bruder gaben sie tausend, und der Unbarmherzige schlug mich tot.’

Die hier aufgezählten Märchen von dem enthüllten Geschwistermord scheiden sich, wie auch Monseur in seiner ausführlichen


  1. Steere (Journal of the anthropological institute of Great Britain 1, CLI. 1871) teilt ein Märchen aus Zanzibar mit, wo den Brudermördern ein Vogel vorauf fliegt und singt: ‘Sie haben ihren jüngsten Bruder erschlagen und ihm all sein Gut geraubt’. Im Zulu-märchen ‘Izelamani’ (Callaway 1, 217) meldet ein Vogel den Eltern: ‘Euer Kind ist ins Wasser gestoßen’ und führt den Vater zur Grube, worauf der noch lebende Jüngling herausgezogen wird. In einer Erzählung der Ba-Ronga (Junod p. 310) verfolgt der Vogel den Menschenfresser, der seine eigne Frau getötet hat, und ruft deren Verwandte zur Rache auf. Im Mossutho-märchen bei C. Hoffmann 1907 S. 33 meldet Maschilwanes Hund seine Ermordung durch Maschilo. – Ein redendes Kleid des Erschlagenen in einem ostafrikanischen Märchen bei Steere a. a. O. Eine Schüssel aus den zerstampften Knochen in einem chinesischen Schauspiel (Journal asiatique 4. serie 18, 523. 1851).
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_275.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)