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und Rußland erhalten hat.[1] Vielfach sind endlich an die Stelle der Tiere Menschen getreten; statt der Wölfe werden Räuber oder Gespenster von den mutigen Tieren verjagt, oder diese Tiere werden durch einen Wanderburschen, einen Viehhändler, ein Mädchen geleitet; im malaiischen Märchen steht den Gespenstern sogar nur ein Mann mit Weib und Kind gegenüber. Bisweilen wird dem ein spannendes Reiseabenteuer schildernden Tiermärchen eine besondere Tendenz beigemischt: bei Hans Sachs die Beschämung eines dummdreisten Tölpels, anderwärts der Vorteil einer Vereinigung der Schwachen; die Vertreibung der Bewohner des Waldhauses wird meist mit deren Schädlichkeit oder Bosheit motiviert, doch erscheinen in nr. 10 die Angreifer als nichtsnutzige oder sogar mordlustige Schelme.

Von den mit unsern Märchen (nr. 10. 27. 41) sich berührenden Erzählungen vom Tod des Hühnchens (nr. 80), vom alten Sultan (nr. 48), von den Häusern der drei Hühnchen oder Schweinchen (zu nr. 5), von dem treulosen Fuchs usw. ist schon die Rede gewesen. Zur Wanderung der Tiere gehört aber noch das verbreitete Märchen vom Halbhähnchen, das schon 1759 als ‘Moitié de coq’ von Destouches, La fausse Agnès II, 6 und 1778 von Restif de la Bretonne, Le nouvel Abailard angeführt wird. Halbhähnchen hat einen gefundenen Beutel von Geld einem Manne geliehen und geht zu diesem, um sein Geld zurückzufordern; unterwegs schließen sich ihm eine Leiter, ein Bach und ein Wolf an, die es in seinen Hintern kriechen heißt; als der Schuldner es in den Brunnen, den Ofen und in den Kuhstall wirft, retten es diese Gefährten jedesmal, und Halbhähnchen erhält endlich sein Geld. Französisch: Mélusine 1, 181. Revue des trad. pop. 3, 388. 4, 423. 6, 481. 10, 362. 22, 433. 25, 82. Revue des langues rom. 15, 105. Archiv f. n. Spr. 55, 376. Wallonia 1, 11. 48. Sébillot, Contes de la Haute-Bretagne 2, 317; C. des provinces p. 280; Joyeuses histoires p. 205; Folklore de France 3, 253. Pineau, Contes du Poitou p. 169. Carnoy, Picardie p. 211. Dardy, Anth. de l’Albret 2, 183 nr. 49. Meyrac, Ardennes p. 454. Arnaudin 1887 p. 81. Roqueferrier,


  1. Gerber, Great russian animal tales 1891 p. 74–79 (Publ. of the Modern language assoc. of. America 6) verfolgt die einzelnen Züge des Ysengrimus in den Volksmärchen genauer. Vgl. auch Polain, Bulletin de folklore 2, 63–68 (1893–95). Kolmačevskij 1882 p. 123. Bobrov, Rus. filol. věst 59, 249. Zíbrt, Český Lid 6, 156. Dähnhardt, Natursagen 4, 209 ‘Der Krieg zwischen Haustieren und Waldtieren’.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_258.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)