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Nisamis Dichtung ‘Sieben Schönheiten’ aus dem 12. Jahrhundert[1] und in der berühmten persischen Geschichte von Kalaf und Turandokt, die von Pétis de la Croix 1710 in seinen Mille et un jours[2] veröffentlicht und durch Gozzi (1762) und Schiller (1802) auf die Bühne gebracht wurde. Doch will Kalaf, nachdem er die Rätsel der Prinzeß auf die Sonne, das Meer und das Jahr gedeutet, auf sein Recht an sie verzichten, wenn sie die Frage beantworte: ‘Wie heißt der Prinz, der, nachdem er tausend Mühseligkeiten erduldet und sein Brot erbettelt hat, sich jetzt auf dem Gipfel des Ruhmes und der Freude befindet?’[3] – In einer andern persischen Erzählung vom jungen Perser und der griechischen Prinzessin, die Behrnauer aus einer Wiener Hs. verdeutscht hat (Johannes-Album 2, 57–70. Chemnitz 1857 = Grässe, Märchenwelt S. 79) stellt der Held an die Kaisertochter eine auf sich und seine Eltern bezügliche Frage.[4] Während aber Turandokts Dienerin Kalaf seinen Namen zu entlocken weiß, müssen hier zwei Mägde und die Prinzessin Schmuck und Kleider wie in den europäischen Fassungen zurücklassen; und als der Perser andern Tags das Rätsel aufgibt: ‘Drei Täubchen kamen einmal zu einem Täuberich’ …, erklärt sich die Schöne für besiegt.

Sangiresisch bei Wilken, Mededeelingen vanwege het nederlandsche Zendeling-genootschap 11, 390 = Bezemer, Volksdichtung S. 267 ‘Ein neues Simsons-rätsel: Ein Toter tötet zwei, und zwei Tote töten vierzig’ (entspricht den nordeuropäischen Fassungen: Diener, Pferd, Krähen, Räuber). In einer andern malaiischen Erzählung ‘Les énigmes de Boudaq’ (Revue des trad. pop. 12, 603


  1. Hammer, Geschichte der Redekünste Persiens S. 116. 136. Erdmann, Die Schöne vom Schloß (Kasan 1832). Schack, Anthologie abendländischer und morgenländischer Dichtungen 2, 175 (1893).
  2. Cabinet des fées 14, 227 (1785). Deutsch bei v. d. Hagen, Erzählungen und Märchen 2, 91 und 1001 Tag 2, 1 (1827) = Kletke, Märchensaal 3, 103. – Vgl. Chauvin, Bibl. arabe 5, 193. Köster, Schiller als Dramaturg 1891 S. 147. – Ein wälschtiroler Märchen bei Schneller nr. 49 ‘Die drei Rätsel’. Bei Gliński ³ 3, 33. 57 werden dem Freier zum Schluß noch sechs Rätsel vorgelegt. Kleinrussisch: Žytje i Slovo 2, 136–142.
  3. Über das Motiv des Namen-erratens vgl. unten zu nr. 55; Gedanken-erraten zu nr. 133.
  4. Wie im Arabischen: ‘Was ist das für ein Mensch, dessen Mutter eine Stute und dessen Vater ein Panzer ist’ usw.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_199.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)