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Schlafgemach des Freiers, um ihn zu belauschen, der Diener aber jagt sie mit Ruten weg und nimmt ihnen ihre Kleider. In der dritten Nacht kommt die Königstochter selber und meint, er werde ihr im Traum antworten; er ist aber wach, sagt die Lösung und hält, da sie gehen will, ihr nebelgraues Kleid fest, das er am Morgen als Wahrzeichen vorlegt.

Mit dieser Fassung ist in den späteren Ausgaben eine andre Erzählung verbunden, die in den Anmerkungen von 1822 (3, 41) ohne Angabe der Herkunft angeführt wird; die 3. Auflage der Anmerkungen (1856) vergißt jedoch, auf diese Abänderung hinzuweisen. Ein Königssohn erblickt ein Mädchen, dessen Schönheit ihn so reizt, daß er ihm nachgeht und in das Haus einer Hexe gerät, deren Tochter es war. Das Mädchen selbst ist gut gesinnt und warnt ihn vor den Zauber- und Gifttränken seiner Mutter. Er reitet fort, aber sie eilt ihm nach und will ihm einen Trank bringen. Da sie ihn nicht erreichen kann, gibt sie das Glas seinem Diener, der soll es ihm geben; aber das Glas springt, und das Pferd, auch von dem Gift bespritzt[1], fällt tot nieder. Der Diener läuft dem Herren nach und erzählt ihm, was geschehen ist; sie gehen zurück, um den Sattel zu holen, da sitzt ein Rabe auf dem Pferd und frißt davon. Der Königssohn tötet ihn, und sie nehmen ihn mit; und als sie ins Wirtshaus kommen, geben sie ihn dem Wirt, der soll ihn braten. Sie sind aber in eine Mördergrube geraten und werden eingeschlossen. Nachts kommen die Mörder, um den Fremden das Leben zu nehmen, essen aber zuvor den Raben, der für jene gebraten war, und sterben alle davon. Nun geht die Tochter des Wirts, die es redlich meint, öffnet den Fremden die Türe und zeigt ihnen das viele Gold und die Schätze. Der Königssohn sagt, das solle sie zum Lohn behalten, reitet mit seinem Diener weiter und kommt in die Stadt, wo die Königstochter die Rätsel löst. Er legt ihr nun vor: ‘Einer schlug keinen und schlug doch zwölf’. Das übrige stimmt mit der Zwehrner Fassung überein.

Aus Tirol bei Zingerle, Sagen 1859 S. 436 = Märchen 1 ², 237 nr. 45 ‘Die drei Raben’ (der Diener des Prinzen Ratgeb probiert den von der Königin mitgegebenen Trunk zuerst an den Pferden. ‘Eins tötet drei, drei töten zwölf’. Angehängt das Märchen von Drosselbart, unten nr. 52). – Aus Oesterreich bei Vernaleken nr. 36 ‘Eins schlägt zwölf, zwölf schlagen neunundvierzig’ (der Prinz


  1. Vgl. Grimm, Deutsche Sagen ² nr. 547 ‘Das Oldenburger Horn’.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_189.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)