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von Warnke¹ S. CIV. Hertz, Spielmannsbuch 1900 S. 408) sind zwei Wiesel, in der Völsungasaga c. 8 zwei Buschkatzen, im irischen Märchen bei Larminie p. 83 zwei Vögel an die Stelle der Schlangen getreten. Vgl. noch Hahn, Griech. M. 2, 274. Sébillot, Folklore de France 3, 529. Polívka, Zs. f. Volkskunde 13, 408–410. Dem von Polívka angeführten polnischen Märchen bei Kolberg, Lud 8, 117 nr. 45 entspricht ein bolognesisches ‘La fola dla bissuleina’ bei Coronedi-Berti nr. 14 (Propugnatore 8, 1, 352), wo ein Mädchen, das einen zudringlichen Verehrer erschlagen hat, mit der Leiche in der Gruft eingeschlossen wird. In einer sibirischen Erzählung (Radloff 4, 77) sieht der gelähmte Held, wie eine Maus, der er das Bein geknickt hat, von ihren Genossen durch eine Wurzel geheilt wird, und gesundet selber durch diese. Im slovakischen Märchen bei Czambel 1, 286 § 150 kriecht ein Frosch mit dem Lebenskraut dem von seinen Brüdern erschlagenen Helden übers Gesicht. Im kroatischen bei Mikuličić S. 109 nr. 20 belebt die Schwester, bei Valjavec S. 68 die von Marko Kraljević bezwungene Vila den Toten mit einem Kraut.

Die Untreue der wiederbelebten Frau und ihre Bestrafung (D E G) begegnen mit andrem Eingange in einer Reihe von orientalischen Erzählungen, deren Verwandtschaft mit unserm Märchen G. Paris sehr wahrscheinlich gemacht hat. In Pūrnabhadras Bearbeitung des Pañcatantra 4, 5 und einigen andern indischen Werken,[1] sowie in dem chinesischen, aus indischen Quellen geflossenen Tripitaka (Chavannes, 500 contes et apologues extraits du Tripitaka 3, 22) rettet ein Brahmane, der mit seiner geliebten Gattin durch eine Wüste wanderte, die Verschmachtete vom Tode, indem er durch dreimalige laute Versicherung die Hälfte seines Lebens für sie hingibt


  1. Pañcatantram, textus ornatior, übersetzt von R. Schmidt 1901 S. 268 (Benfey, Pantschatantra 2, 303. The Orientalist 1, 277). Vgl. Jātaka transl. by Cowell 2, 81 nr. 193. Kandjur (Schiefner, Mélanges asiatiques 8, 129. Ralston, Tibetan tales S. 291). Tawney, Kathásaritságara 2, 101. Dandin, Daçakumāracarita übers. von Meyer 1902 S. 87. 297 (Benfey 1, 436). – Merkwürdig ist, daß auch in der um 1200 von einem Cisterzienser verfaßten ‘Historia infidelis mulieris’, die Schönbach (Die Geschichte Rudolfs von Schlüsselberg. Wiener SB. 145, nr. 6. 1902) herausgegeben hat, ein fränkischer Ritter mit seiner aussätzigen Gattin nach Portugal zieht und sie in dem von giftigen Schlangen umlagerten Wunderquell badet, von der Geheilten aber treulos verlassen und verraten wird.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_129.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)