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Rumänisch: Şăinénu p. 741–748. – Die schöne griechische Fassung bei Hahn nr. 1 ‘Asterinos und Pulja’ = Pio p. 1 = Geldart p. 31 hat viele Züge mit den slavischen gemeinsam. Wie im slovakischen, serbokroatischen und bulgarischen Märchen[1] schneidet sich die Frau eine Brust ab, als die Katze ihr Fleisch gestohlen hat, und setzt sie ihrem Manne vor, der nun auch die eigenen Kinder verzehren will. Wie im polnischen werfen die fliehenden Kinder Messer, Kamm und Salz hinter sich, und der Knabe trinkt aus der Lammspur. Wie im 1., 2. und 4. bulgarischen und im türkischen Märchen lockt eine Alte die Schwester vom Baume herab. An den Dialog des Lammes und der von der Schwieger in den Brunnen gestürzten Prinzeß schließt sich ein Motiv aus unsrer nr. 130: aus den von der Schwester gesammelten Knochen des Lammes erwächst ein Apfelbaum; sie pflückt einen Apfel und geht davon. Gott aber macht sie (heißt es bei Geldart) zum Sternbild der Plejaden und den Bruder zum Abendstern. – Albanesisch bei Mitkos S. 165 nr. 1 = Archiv f. Litgesch. 12, 93 (vgl. R. Köhler 1, 385) ‘Das Mädchen mit der Ziege’. Hier ist die Ziege, die mit der in den Brunnen gestürzten Königin redet, nicht ihr Bruder. – Trümmerhaft ist ein kroatisches Märchen aus der Esseker Gespanschaft bei Krauß 1, 289 nr. 69 ‘Der Jäger’ (C¹ D³), in welchem die Geschwister entfliehen, weil ihr Vater Appetit auf Menschenfleisch hat, und der Knabe zum Esel wird, weil er wider der Mutter Warnung unterwegs Wasser trinkt. Die Gräfin springt, um ihren Bruder zu erlösen, über den Weiher, fällt hinein; aber der Fisch, der sie verschluckt, wird gefangen und aufgeschnitten. – In der serbischen Fassung bei Stefanović S. 80 nr. 11 (= Archiv f. slav. Phil. 5, 32 nr. 44; vgl. K. Köhler 1, 438) ist die gewöhnliche Einleitung ausgefallen, das dem Mädchen vom Hirten geschenkte redende Schaf ist nicht der Bruder des Mädchens; es dringt wie bei Afanasjev nr. 146a in den Garten des Kaisers, der darauf das Mädchen heiratet. Eine Zigeunerin stößt die Kaiserin in den Brunnen und verlangt das Herz des Schafes. Zufällig wird ein goldener Karpfen aus dem Brunnen gezogen, der sich in die Kaiserin verwandelt. Eine entstellte Version aus dem Üsküber Karadagh in Naselja srpskih zemalja 3, 488 beginnt ähnlich wie die kroatische; das Mädchen wird wie in der griechischen bei Hahn nr. 1 vom Baum heruntergelockt; beide Geschwister trinken


  1. Vgl. zu diesem Motiv Olaf Broch, Studien 1, 44. Atan. Nikolić 1, 128.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_089.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)