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sie zuletzt zu einem kleinen Häuschen und wohnen lange Zeit darin. Einmal aber hält der König große Jagd; da hört der Hirsch das Schreien und Hörnerblasen und möcht gar zu gern hinaus. ‘Ach laß mich ein wenig auf die Jagd’, spricht er zum Schwesterchen und bittet so lang, bis es einwilligt und ihn hinausläßt. ‘Abends komm wieder an mein Türchen’, sagt die, ‘und wenn du rufest (nun müßte ein Vers folgen), so mach ich dir wieder auf’. Da sprang der Goldhirsch hinaus in den Wald und vor dem König her, und alle Jäger folgten ihm, es konnte ihn aber keiner fangen; endlich am Abend verschwand er. Er war aber vor das Häuschen gelaufen, hatte gerufen, und da hatte ihm das Schwesterchen die Türe aufgetan und ihn wieder eingelassen. Am andern Tag ist wieder Jagd, da läßt das Goldhirschchen dem Schwesterchen keine Ruhe, bis es ihm die Tür wieder aufmacht. Da springt es wieder lustig hinaus, aber am Abend kommt es langsam und hinkt; die Jäger hatten den Wald umzingelt, und einer hatte es verwundet, und nun ging ihm einer nach, der sieht, wie das Goldhirschchen vor das Haus schleicht, hört, was es spricht, und daß es darauf eingelassen wird, und geht dann zurück und sagts dem König. Das Schwesterchen pflegt das Goldhirschchen, bis es wieder gesund ist, und das ist bald. Wie der König nun auch denkt, es sei wieder gesund, stellt er aufs neue eine Jagd an. Das Goldhirschchen läßt sich da gar nicht abhalten, das Schwesterchen mag sagen, was es will. Wies aber bald Abend ist, geht der König vor das Haus, ruft die Worte des Goldhirschchens und wird alsbald eingelassen. Wie er hineinkommt, weiß er gar nicht, was er sagen soll, so schön ist das Mädchen. Da reicht er ihm endlich die Hand und sagt, ob es seine Gemahlin werden wolle, so solle es mit ihm in sein Schloß gehen. Das Mädchen sagt ja, aber jetzt könne es noch nicht fort, es müsse erst auf das Goldhirschchen warten. Da warten sie noch ein bißchen zusammen, da kommt es gesprungen; denn die Jäger hatten ihm nichts tun dürfen, das hatte der König befohlen. Das Mädchen bindet es wieder an sein Strumpfband und führt es mit ins Schloß. Da hält der König Hochzeit mit dem Mädchen, und sie leben lange Zeit vergnügt. – Das Mädchen aber hat eine Stiefmutter, die war immer neidisch und gönnte ihm sein Glück nicht. Wie nun die Königin soll in Wochen kommen, geht sie mit ihrer rechten Tochter, die aber garstig ist und nur ein Aug hat, ins Schloß, und da trifft sichs gerad, daß der König auf der Jagd ist und die Königin in dieser Zeit einen schönen Prinzen zur Welt bringt. Da faßt die gottlose Stiefmutter sie beim Kopf und ihre Tochter bei den Füßen, und so tragen sie die Kranke in einen tiefen Turm; und dann fangen sie das Goldhirschchen und geben es dem Metzger[WS 1], der soll es schlachten. Und wie das alles getan ist, muß sich die garstige Tochter ins Bett legen, aber auf die scheele

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Meztger
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_083.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)