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8. Der wunderliche Spielmann. 1856 S. 20.

1819 nr. 8: aus Lorsch bei Worms (eingesetzt für 1812 nr. 8 ‘Die Hand mit dem Messer’). Es scheint, das Märchen ist nicht ganz vollständig; es müßte ein Grund angegeben sein, warum der Spielmann die Tiere, die er wie Orpheus herbeilocken kann, so hinterlistig behandelt.

Siebenbürgisch bei Haltrich, Zur deutschen Tiersage 1855 S. 70 nr. 50 ‘Wie der Zigeuner sieben Wölfe das Geigen lehrt.’ – Dänisch in Grundtvigs hsl. Register nr. 126 ‘Ulven’. Ein Bauernjunge überlistet den Bären, der die Prinzeß bewacht, indem er Nüsse aufbeißt und dem Bären Steine statt der Nüsse reicht,[1] dann ihm etwas vorfiedelt und ihn in einen Schraubstock einklemmt. Er entrinnt mit der Königstochter und trifft noch eine Stute mit einem Füllen und einen Fuchs. – Schwedisch bei Åberg nr. 172 ‘Nalli vild bör lær se späla’ (Bär will fiedeln lernen, im Schraubstock eingeklemmt) und in Hackmans Register nr. 151. 1159.

Verwandt sind mehrere französische Märchen, in denen aber nicht ein Spielmann, sondern ein abgedankter Soldat, ein Scherenschleifer oder ein Hausierer die handelnde Person ist. Im lothringischen Märchen (Cosquin nr. 2 ‘Le militaire avisé’) gewinnt der Soldat ein schönes Mädchen zur Frau, nachdem er den Löwen an die Schaukel gebunden, den Wolf in den gespaltenen Stamm geklemmt, den Fuchs an einen Baum gehängt und die verfolgenden Tiere geschreckt hat. Der Scherenschleifer in der normannischen Erzählung (Fleury p. 193 ‘Le rémouleur et les bêtes’) verscheucht den Wolf, Hasen und Fuchs, indem er ihnen das Rad, die Kugeln und den Pflock zeigt, womit er sie gepeinigt hat. In der gascognischen (Bladé 3, 52 ‘Le marchand de peignes de bois’) muß der Krämer, der schon Fuchs und Wolf überwältigt hat, zum Löwen in den Käfig gehn, wie das kluge Schneiderlein in nr. 114 zum Bären, um dann die Hand der Königstochter zu erhalten. Ähnlich aus dem Berner Jura im Schweizer. Archiv 16, 123 ‘Le soldat La Ramée’, wo der König die Unerschrockenheit des Helden fast ebenso wie der Herzog


  1. Steine zum Zerbeißen gegeben statt Nüsse oder Erbsen: unten nr. 114 ‘Vom klugen Schneiderlein’. Schwedisch: Åberg nr. 13. 129; Allardt nr. 92; Hackmans Register nr. 1061. Finnisch: Suomi 2, 14, 59. Aarnes Register nr. 1061.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_068.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)