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wird Joseph bestrichen; alsbald schwindet der Stein an ihm, und er steht auf und spricht: ‘Ach, lieber Bruder, warum hast du mich geweckt? Ich habe so sanft geschlafen’.[1] Sie erzählen ihm, wie alles sich zugetragen, da sagt Joseph: ‘Nun muß ich dir wieder helfen,’ bindet das tote Kind in ein linnen Tuch und geht mit ihm fort. Als er schon dreiviertel Jahr gewandert ist und, von Herzen betrübt, daß er keine Hilfe finden kann, unter einen Baum sich setzt, kommt ein alter Mann und gibt ihm zwei Fläschlein, darin ist Wasser des Lebens und Wasser der Schönheit. Joseph trägt es nun heim, muß aber, weil er nichts mehr hat, betteln. Nach einem Vierteljahr kommt er zu seines Vaters Schloß, da setzt er sich auf die Brücke und bestreicht das Kind erst mit dem Wasser des Lebens, wovon es das Leben wieder erhält, dann mit dem Wasser der Schönheit, wovon es so frisch und lieblich wird wie kein anderes. Darauf bringt er es seinen Eltern, die sich vom Herzen darüber freuen.

Eine dritte, wiederum abweichende Erzählung aus Hessen, ‘Der getreue Paul’, in Wolfs Hausmärchen S. 383. Vier Fassungen aus Pommern bei Knoop S. 204 ‘Die schöne Therese’ (der Pflegebruder des Prinzen ist der Sohn einer Katze) und U. Jahn nr. 7 ‘Von der wunderschönen Prinzeß, verwünscht im wilden Meer in der Steinklippe’ (Prinz Friedrich und Karl), nr. 8 ‘Die drei Raben’ (zwei leibliche Brüder) und Variante auf Seite 354 (der treue Johann ist ein alter Diener). Eine achte und neunte aus Ostpreußen bei E. Lemke 2, 231 ‘Die schöne Jozlige’ und 234 ‘Der treue Diener’ (Karl).

Die Hauptzüge, die in den zahlreichen Fassungen dieses Märchens wiederkehren, sind folgende: A. Ein Prinz verliebt sich in eine ferne und schwer zu erringende Königstochter, deren Bild er gesehen[2] oder von der er geträumt[3] hat. – B. Er entführt sie mit Hilfe eines treuen Dieners, Pflegbruders oder rechten Bruders[4],


  1. Über diesen Ausruf des Wiederbelebten vgl. R. Köhler 1, 555 f.
  2. Liebe durch Bild: Chauvin, Bibl. arabe 5, 132. Meyer, Dâçakumaracaritam S. 283.
  3. Liebe durch Traum: Chauvin 5, 132. R. Köhler 1, 197. Meyer, Dâçakumar. S. 79.
  4. Wunderbare Empfängnis beider: unten nr. 60 ‘Die zwei Brüder’. – Eine ähnliche Entführung der Königstochter so auf einem Kaufmannsschiff bei Herodot 1, 1, im Gedicht von Gudrun Str. 249 f
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_045.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)