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um sie herum und fragte, was das für ein Ding wäre. Sprach der König: ‘Stell dich einmal ein wenig zur Seite’, ließ laden und losschießen. Wie es nun den gewaltigen Knall tat, rief der junge Schmied: ‘Das war der Fürchtemich! Jetzt habe ich ihn gesehen’ und ging vergnügt nach Haus.

Eine siebente Erzählung ist aus dem Paderbörnischen. Hans spricht allezeit zu seinem Vater, er fürchte sich vor nichts auf der Welt. Der Vater will ihm das abgewöhnen und heißt die beiden Töchter abends sich in das Beinhäuschen verstecken; er wolle den Hans nachts hinausschicken, da sollten sie, in ein weiß Betttuch eingehüllt, mit Knochen nach ihm werfen, so würde er schon erschrecken. Um elf Uhr spricht der Vater: ‘Ich habe so Zahnweh. Hans, geh und hol mir einen Totenknochen[1], aber nimm dich in acht, es könnte im Beinhaus spuken.’ Wie er nun hinauskommt, werfen ihn die Schwestern mit Totenköpfen. ‘We smit mie do?’ ruft Hans, ‘wen’t noch einmol deust, so saste mol seihn.’ Sie werfen noch einmal, da packt er sie und dreht ihnen den Hals um. Dann nimmt er einen Knochen und geht heim damit. ‘Wie ist dir’s gegangen, Hans’, spricht der Vater. ‘Gud, awerst et wörren do twei witte Dinger, de schmeten mie, awerst ick heve allen den Hals umdrehet.’ – ‘O weh’, ruft der Vater, ‘es waren deine Schwestern. Geh gleich fort, sonst mußt du auch sterben.’ Hans macht sich auf in die weite Welt und sagt überall: ‘Ick heite Hans Fürchtemienig.’ Er soll drei Nächte in einem Schloß wachen und es dadurch von den Gespenstern befreien. Der König gibt ihm noch einen Soldaten mit; Hans bittet sich zwei Flaschen Wein und eine Peitsche aus. Nachts wirds so kalt, daß es die beiden nicht aushalten können. Der Soldat geht hinaus und will Feuer in den Ofen machen, da drehen ihm die Gespenster den Hals um. Hans bleibt in dem Zimmer und wärmt sich mit Wein. Da klopft es an, Hans ruft: ‘Kum herin, wenn de en Kop hest!’ Es kommt niemand, aber es klopft noch einmal; da ruft Haus: ‘Kumm herin, wenn de auck kenen Kop hest!’ Da knistert es oben am Balken, Hans guckt hinauf und sieht ein Mäuseloch, daraus fällt ein Töpfchen mit Werg herab, und daraus wird ein Pudelhündchen, und das wächst zusehends und wird endlich ein großer Mann, der aber den Kopf nicht oben, sondern unter dem Arm hat. Hans spricht zu ihm: ‘Sette dinen Kop up! Wie wilt in


  1. Vgl. Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube 1900 § 185.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_028.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)