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Blume, während die Königstochter einen Kranz windet, und verlangt unter Androhung des Todes, als Gatte angenommen zu werden; vergeblich versucht der Vater die ältere Tochter unterzuschieben. Ebenda nr. 158 erscheint statt der Schlange ein Krebs, der, als die Prinzessin einmal die Krebshülle verbrennt, auf immer verschwindet. In einer vierten Fassung (nr. 156) läßt der Krebs das Mädchen nur unter der Bedingung aus dem Brunnen schöpfen, daß es ihn heirate; die Fortsetzung wie im Polnischen. – Eine lettische Version aus Livland bei Treuland nr. 108 stimmt fast wörtlich zu Grimm. – In der litauischen ‘Das Mädchen und die Schlange’ (Veckenstedts Zs. f. Volkskunde 1, 189) läßt sich die Schlange, die das kostbare Tuch aus dem Meere geholt hat, ins Feuer werfen. – In der ungarischen (Erdélyi 8, 15 = Jones-Kropf p. 224 ‘The wonderful frog’) ruft der Frosch vor der Tür nicht nach seiner Braut, sondern nach seinem Schwiegervater. – Finnisch: Aarnes Register nr. 440.

Daß man schon im 13. Jahrhundert in Deutschland von einem verzauberten Frosche erzählte, um dessen willen ein Mädchen viel Ungemach auf sich nahm, scheint Berthold von Regensburg im Rusticanus de sanctis (Leipziger Ha. 498, Bl. 166, 1 = Schönbach, Wiener SB 142, 7, 101. 1900) zu bezeugen: ‘Stultus et invirtuosus esset, qui ranam tantum diligeret, quod potius sibi vellet oculos erui quam illam deserere, similiter os et nasum, immo et se comburi cum omnibus quae habet’, falls hier nicht bloß an das Sprichwort ‘Si quis amat ranam, ranam putat esse Dianam’ (MSD³ XXVII. 2, 223) zu denken ist; vgl. Petronius cap. 77: ‘Qui fuit rana, nunc est rex’. Und wenn Rollenhagen in der Vorrede zum Froschmeuseler (1608 Bl. B 1 b) unter den alten deutschen Hausmärlein auch das ‘vom eisern Heinrich’ anführt, so meint er damit den Schluß unsres Märchens in der ersten hessischen Fassung, vom treuen Diener, der sein kummervolles Herz in eiserne Bande hatte legen lassen. Auch der vergessenen Braut in der paderbörnischen Fassung springt ein Band vom Herzen, daß es der Königssohn vernimmt. Und in einem bretonischen Liede (Luzel, Chants populaires de la Bretagne 1, 409. 419. 1868) kracht bei der Weihe eines jungen Priesters das Herz seiner Geliebten laut:

     Un des vicaires demandait:
‘Est-ce la charpente de l’église qui craque ainsi?’
“Sauf votre grâce, seigneur, ce n’est pas,
Mais c’est Jeanne le Iudec, qui s’est évanouie”.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_007.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)