Seite:Grimm Linas Maerchenbuch I 147.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Sohn, wofern ich sie dir gewähren kann, antwortete der Richter.“

„Ach,“ sagte Friederlein, „ich hab’ meine Geige so lieb, und kann mich nicht von ihr trennen, eh’ ich noch einmal Eins darauf gefiedelt habe. Darum bitt’ ich, erlaubt mir, daß ich vor meinem Ende mich noch einmal mit ihr vergnüge, und mir und Euch zur Lust noch ein’s drauf fiedle.“

Da wandte sich aber auch der Mönch zu dem Richter, und sprach: „Herr Richter lasset ihm das nicht zu. Es ist sonst unser Aller letztes End, wenn er seine Geige spielet.“ Aber der Richter sprach: „Eine billige Sache darf man solch einem armen Schlucker nicht abschlagen, wenn er schon auf der Galgenleiter steht.“ Darauf wandte er sich zum Büttel, dem Haltfest, und befahl ihm, dem Kleinen seine Geige zu geben. Und Friederlein empfing sie mit Freuden, und fing an darauf zu fiedeln mit dem Fiedelbogen. Da fingen auch schon ringsum die Kinder an zu tanzen. Und Fiederlein fiedelte frisch drauf los. Da sprach der Henker: „Ich muß erst Eins tanzen, ich kann’s nicht lassen!“ und stieg hinunter, und tanzte unter dem Galgen herum. Und als der Richter noch ein wenig zusah, und sah wie auch der Haltfest, der Büttel, Friederleins Vogelrohr an die Leiter lehnte, um desto besser herum

Empfohlene Zitierweise:
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 1. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_I_147.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)