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„Wir haben in der verwichenen Nacht mit einander berathschlagt. Hier wird des Wassers und des Schlammes mit jedem Tage weniger, und der See vermag uns forthin nicht mehr zu nähren; denn die kleinen Würmer sterben nach und nach aus, weil sie im Trocknen nicht leben können. Darum sind wir zusammen überein gekommen, heute von dannen zu ziehen, und uns einen andern Wohnort zu suchen. Und so kommen wir jetzt zu dir, Abschied von dir zu nehmen und dir zu danken für alle Freundschaft, so wir bei dir genossen, und für dein gutes nachbarliches Betragen gegen uns.“

Als solches aber die Schildkröte hörte, da ward sie gar traurig, und fing an zu wehklagen: „Ach,“ sagte sie, „wie bin ich doch ein unglückliches von Gott verlassenes Geschöpf! Wie seid ihr Vögel doch so viel besser daran, als unser eins! So es euch nicht mehr gefällt an einem Orte, oder so es euch an euerm Auskommen gebricht, so schwingt ihr euch auf in die Lüfte, und die ganze Welt liegt frei unter euch, und ihr überschaut Alles von eurer Höhe herab; und wo es euch gefällt, oder wo es euch gut dünkt, da lasset ihr euch herab, und schlagt eure Wohnung auf. – Wie viel anders und schlimmer ist es da mit uns! Wir sind bestimmt auf der Erde zu kriechen, fast wie die Würmer, und sehen nur, was ganz nahe vor uns liegt.

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Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_154.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)