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Gretter hat später selbst gesagt, daß dieses der furchtbarste Augenblick seines Lebens gewesen ist.

Nun öffnet Glam den Mund und spricht, wie aus einem hohlen Grabe heraus, folgende Worte:

„Gretter, du hast dich sehr gemüht mir zu begegnen, nicht zu deinem Gewinn. Du bist stark. Aber erst die Hälfte jener Stärke hast du erreicht, die dir vom Schicksal bestimmt war. Du solltest doppelt so stark werden, als du bist. Nun du mir ins Auge sahst, sind deine Kräfte gebunden. Ich kann dir nicht nehmen, was du hast, aber ich kann verhindern, daß deine Stärke noch wächst. Bleibe, wie du bist. Viele werden noch vor dir erzittern. Aber nicht Ruhm, sondern Verbannung wird dein Los. Was du angreifst, wird dir mißlingen. Einsam und elend wird dein Ende sein!“ –

Als das Gespenst diese Worte ausgestoßen hatte, erwachte Gretter aus seiner tiefen Betäubung. Er sprang auf, riß das Schwert von seiner Seite und schlug Glam damit den Kopf ab.

Vorsorglich stellte er diesen Kopf an den Rücken des Ungetüms, nach altnordischem Aberglauben das Mittel, ferneres Spuken des Getöteten zu verhindern.

Jetzt kam der Hausherr heraus und, als er das Riesengespenst kopflos an der Erde liegen sah, und Gretter als den Stärkeren über dem Starken, da pries er laut Gottes Gnade und dankte Gretter mit den allerherzlichsten Worten.

Das Nächste, was sie thaten, war, den Leichnam des Ungetüms zu verbrennen. Die Asche thaten sie in einen Sack und vergruben diesen tief unter die Erde. Darauf gingen sie in das Haus zurück und der Tag ergraute.

Gretter legte sich zur Ruhe. Seine Glieder waren wie zerschlagen, und er sank in einen tiefen, bleiernen Schlaf.

Thorhall schickte Boten zu all seinen Nachbarn und rief sie zusammen. Er erzählte die Ereignisse der verwichenen Nacht und den errungenen großen Sieg. Aller Meinung war: „Gretter hat nicht seines gleichen an Mut und an Stärke auf der Welt!“ –

Aus seinem tiefen Schlaf erwachend, stand Gretter auf, neu gestärkt. Er fand an seinem Bette kostbare Kleider liegen, Thorhalls Geschenk. Denn nur noch Fetzen von seiner alten Kleidung hatte er abgestreift, als er nach dem Kampfe zu Bette ging.

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/99&oldid=- (Version vom 1.8.2018)