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Die Leute gingen zum Vespergottesdienst und kamen wieder heim. Thorgoet war noch immer nicht zur Stelle. Nun fürchteten alle ein Unglück. Der Hausvater wollte noch denselben Abend suchen lassen, aber die Leute weigerten sich, bei Nacht ihr Leben zu wagen und mit Gnomen und Kobolden sich einzulassen.

Doch am ersten Weihnachtstage nach dem Kirchgang und dem Mittagsessen begann das Suchen nach dem vermißten Schafhirten.

Alle waren überzeugt, sein Verschwinden hänge mit dem Glam zusammen, und so suchte man zuerst die Gegend ab, wo Glams Grabhügel lag.

Hier fand man denn auch den Thorgoet mit gebrochenem Genick und zerschmetterten Beinen.

Man hob ihn auf, brachte ihn in die Kirche und begrub ihn christlich auf dem Friedhofe.

Der Glam dagegen spukte fortan nur noch ärger, als zuvor, auf dem Hofe.

Alle Leute kündigten dem Thorhall den Dienst und zogen ab bis auf einen alten Futterknecht, der auf dem Hofe geboren war und sich von seiner Herrschaft nicht trennen wollte.

„Was soll aus dem armen Vieh werden, wenn auch ich fortgehe?“ sagte er.

Der Winter neigte sich zu Ende. Da ging die Hausmutter eines Morgens in den Kuhstall, um die Kühe zu melken, was sie nun selber thun mußte, da alle Mägde fortgelaufen waren. Als sie den Stall betrat, hörte sie ein großes Gepolter und lief erschrocken zurück, den Hausherrn zu rufen. Beide kamen und riefen mit lauter Stimme nach Ole, dem alten Futterknecht. Er gab keine Antwort. Nun gingen sie durch den Stall in die Scheune. Auf der Schwelle der Scheune lag der Knecht regungslos. Sie befühlten ihn und fanden sein Kreuz gebrochen.

Nun ergriff den Thorhall und sein Weib Gudrun ein furchtbares Grauen. Sie rafften ihre wertvollsten Stücke zusammen, die sie bergen konnten, und verließen nun selbst mit ihren Kindern in eiligster Flucht den Hof, um den Rest des Winters bei Verwandten zuzubringen.

Auf dem leeren Hofe wütete der Glam weiter. Alles Vieh, welches zurückgeblieben war, erdrosselte er. Ja selbst auf die Nachbarhöfe sprang der Spuk über und Reisenden, die durch das Thal zogen,

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Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/93&oldid=- (Version vom 1.8.2018)