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In diesen heiligen 12 Nächten verlassen die Götter ihre himmlischen Burgen und halten Umzug auf Erden. Sie segnen die Wasserquellen und segnen die Fruchtbäume. Die Menschen jubeln der Ankunft der Himmlischen entgegen. Sie schöpfen von dem geweihten Wasser und heben es in Krügen auf. Sie schütteln die Obstbäume, daß sie für das kommende Jahr den Segen empfangen und fruchtbar werden. Sie zünden Freudenfeuer auf den Bergen an. Und die Erde flimmert in ihrem winterlichen Glanze. In Wald und Feld wird es auf dem Schneeboden immer frischer und lichter. Die Sonne spiegelt sich wieder in tausend Eiskrystallen. Die Bäume sind bis zu den äußersten Zweigen in feinkörnigen Reif gehüllt, und auf Bergeshöhen und in Thalgründen sieht man ausgebreitet das eine, weite, große, strahlende Schneegefilde. Das ist das Julfest[1] der Alten, so genannt von Hiol[2], dem Rade der Sonne.

Mit Leichtigkeit trat die christliche Vorstellung ein in[3] diesen überlieferten Gedankenkreis und füllte die heidnische Form aus mit ihrer Offenbarung.

Christus, das Licht der Welt, der Trost der Heiden, geboren in der Nacht zum 25. December, überwindet die Mächte der Sünde, der Schuld und des Todes und bringt der sündigen Welt Erlösung und Frieden. Am 6. Januar, welcher zum Epiphaniasfest[4] wurde, kamen die drei Könige des Ostens, die Erstlinge der Heidenwelt, und sinken im Gebet nieder an der Krippe zu Bethlehem.

So war Anfang und Ende gefunden für eine christliche Feier, die sich genau dem Rahmen des heidnischen Festes anschloß. Lange wogten noch heidnische und christliche Vorstellungen durcheinander. Aber das bindende Band für beide war ein und dasselbe, die Freude und der Jubel über den Sieg des Lichtes im Bereich der Natur, wie im Reich der Gnade. „Mache dich auf und werde Licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“[5]

Torfin bereitete sich zur Feier des Weihnachtsfestes vor. Nicht auf seinem Edelhofe auf der Haramsinsel wollte er es diesmal feiern, sondern auf seinen Besitzungen am Festlande. Hier sammelten sich leichter die vielen geladenen Gäste, von denen die meisten in dortiger Gegend wohnten.

Zu keiner Zeit des Jahres öffneten sich soweit die gastlichen Thore eines nordischen Hauses, als in der Weihnachtszeit. Dann herrschte auf Herrensitzen wie in Hütten allenthalben Behagen und Heiterkeit. Aller Streit ruhte. Bei frohen Gelagen vereinigten sich die Sippen. Knechte
Anmerkungen (Wikisource)

  1. vgl. Julfest
  2. isl. hjól (dt. Rad); eine heute überholte etymologische Herleitung
  3. Vorlage: im
  4. vgl. Epiphanias
  5. aus der Bibel Altes Testament Jes. 60,1


Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)