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sich: „Ich ziehe heute die Leiter nicht herauf. Wozu auch diese ewige Plackerei? – Unsinn! – Bei diesem Wetter kommt keine Maus herüber!“ –

Er wickelte sich in seinen Friesmantel, und streckte sich auf dem Erdboden aus.

„Liegen ist besser als Stehen! Auch gesunde Beine werden müde! Ja, des Gretters Bein sieht schlimm genug aus! – Möcht’s nicht haben! Was helfen ihm jetzt seine Riesenfäuste, wenn er nicht mehr auf seinen kranken Füßen stehen kann? Und es wird nichts mehr! Nichts! Das sage ich!“ –

Unter diesen Gedanken glitten seine Augen über die Schaumköpfe der zu seinen Füßen auf und ab tanzenden Wellen hin. Und unter dem Einerlei dieser Vorstellung entschlief er, so fest, daß der Abend anbrach, daß es finster, daß es Nacht wurde, und Gloem schnarchte noch immer, zusammengerollt, wie ein Igel, oben am Auftritt der letzten Leiter.

Um diese Zeit landete Thorbjoern unten an der Insel. Den scharfen Blicken der Männer entging es trotz der Dämmerung nicht, daß die letzte Leiter nicht eingezogen war, und daß oben keine Wache stand.

Sonst immer, wenn Thorbjoern landete, war alles im besten Verteidigungszustande gewesen. Oben wachende Männer, alles rege, und bereit. Heut überall Totenstille. Kein Mensch zu sehen! –

„Hier hat sich etwas verändert,“ sagte Thorbjoern zu seinen Leuten. „Und die Zeit zum Handeln ist da! Laßt uns das Schiff festmachen. Drei Mann bleiben als Wache zurück. Die andern folgen mir hinauf. Ist Gretter noch frisch und gesund, dann haben wir oben alle unsere Kräfte nötig!“ –

Thorbjoern erreichte als erster die Hochfläche der Insel.

Nach einigen Schritten stieß sein Fuß an ein braunes, zusammengerolltes Bündel.

Er bückte sich, und erkannte einen schlafenden Menschen.

Mit dem Griff seines Schwertes kitzelte er den Schläfer am Ohre, und rief: „Wach auf, du Tropf! Übel daran ist der Mann, dessen Leben von deiner Treue abhängt!“ –

Gloem rieb sich schlaftrunken die Augen, und brummte in den Bart: „Immer dieselbe schlechte Behandlung! Glaubt ihr, daß es ein Vergnügen ist, hier unter freiem Himmel in der Nässe zu liegen?!“ –

Thorbjoern rüttelte ihn an der Schulter, und rief: „Bist du von

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Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/264&oldid=- (Version vom 1.8.2018)