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denn er war ganz zahm, und folgte seinen Herren wie ein guter Kamerad. Des Abends, von der Weide heimtrabend, stellte der Bock sich regelmäßig bei der Hütte ein, und, war sie geschlossen, rieb er seine mächtigen Hörner so lange an den Pfosten der Thüre, bis er Einlaß fand. Obwohl nun die Hammelherde[1] aufgezehrt war, so litten die Brüder samt dem Knecht doch keine Not. Es waren Vögel die Menge auf der Insel und schmackhafte Eier genug. Sie durften nur die Hände ausstrecken und greifen.

Nur mit einem Mangel hatten sie schwer zu kämpfen. Die Insel war völlig holzarm, und so fehlte es ihnen sehr an Feuerung zur Erwärmung ihrer Hütte, wie auch zur Zubereitung ihrer Speisen. Sie waren lediglich angewiesen auf die Holzstücke, welche das Meer vom Lande herüber freundlich ihrem Gestade zutrieb.

Eine Hauptbeschäftigung für Gloem, den Diener, war es daher, täglich den Strand abzusuchen, und das aufgesammelte Holz auf seinem Rücken die steilen Leitern hinaufzutragen bis zur Hütte. Dort ließ man es in der Sonne trocknen und dann zerkleinern. Gloem wurde dieser Arbeit überdrüssig. Er murrte, klagte laut über das einförmige Hundeleben, und vernachlässigte seine Pflichten.

Eine Hauptpflicht für ihn war es auch, die Glut auf der Feuerstätte in der Hütte zu unterhalten. Ging das Feuer aus, so war die Verlegenheit groß. Die Erzeugung eines Feuerfunkens durch Stahl, Stein und Zunder war den Nordmännern zwar bekannt, indessen das Verfahren war umständlich, und, falls das Zündmaterial nicht ganz trocken war, sogar unmöglich. Auch war, wenn Stahl und Stein, so doch der Zunder nicht immer zur Stelle. Man zog es darum vor, die Glut auf dem Herde niemals ausgehen zu lassen, das war einfacher und wirksamer.

Gloems Pflicht war es hierfür zu sorgen, und namentlich des Abends Vorkehrungen zu treffen, daß die Glut bis zum nächsten Morgen vorhalte.

Eines Morgens zeigte es sich, daß das Feuer über Nacht ausgegangen sei, und zwar durch Gloems Schuld.

Gretter war sehr entrüstet darüber, packte den Knecht am Kragen und rief: „Du hast verdient mit Ruten gezüchtigt zu werden!“ –

Der Knecht jammerte über sein erbärmliches Leben auf dieser gottverlassenen Insel und über die harte Behandlung. Er werde bei dem geringsten Vergehen gescholten oder abgeprügelt.

„Beklage dich nicht!“ rief Gretter. „Wie man’s treibt, so geht’s!“ und warf den Burschen zur Hütte hinaus.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Hamelherde


Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/240&oldid=- (Version vom 1.8.2018)