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Knaben, Jünglinge, Männer hatten sich bereits miteinander gemessen, und, je nachdem das Los fiel, Beifall oder Spott geerntet. Nur die Stärksten waren noch übrig. Unter diesen galten als unbezwinglich die beiden Brüder aus Breidau. Die Bauern verhandelten mit einander, wer von ihnen sich diesen Riesen stellen sollte, aber keiner wollte sich das zutrauen.

Die beiden starken Männer schritten nun die Reihen der Sitzenden entlang, und forderten nach einander jeden auf, mit ihnen zu kämpfen, aber alle schüttelten den Kopf.

Man war nun in großer Verlegenheit.

Thorbjoern Oengul sah sich forschend im Kreise um. Da erblickte er einen Mann in Bettlerkleidung, gleich den anderen auf der Erde sitzend, aber von auffallend breiter Brust und starken Schultern, so daß man ihm schon etwas zutrauen konnte. Sein Gesicht war unbekannt.

Thorbjoern trat auf diesen zu, und forderte ihn auf, am Ringkampfe teilzunehmen. Der Fremde antwortete nichts. Da griff ihm Thorbjoern unter die Arme, und versuchte den Sitzenden in die Höhe zu recken. Vergebens! Er vermochte nicht um eines Zolles Breite den wuchtigen Gesellen von der Stelle zu rühren. Da rief Thorbjoern Oengul erstaunt:

„Keiner von allen, welche ich heute angefaßt habe, war so gewichtig, wie du! – Wer bist du, Kamerad?“ –

Der Fremde antwortete: „Ich heiße Gast.“

„Du bist hier ein willkommener Gast, wenn du zu unserer Unterhaltung beitragen willst,“ sagte Thorbjoern.

„Ich kenne keinen von euch,“ sagte Gast, „und keiner von euch kennt mich; daher wäre es unklug von mir, in eure Spiele sich zu mischen!“ –

Andere Leute traten nun auch auf den Fremden zu, und sprachen lebhaft auf ihn ein: „Wir würden dir danken, wenn du, obschon ein Fremder, uns hier unterhalten wolltest!“ –

„Und worin soll diese Unterhaltung bestehen?“ fragte Gast.

„Du sollst mit einem der beiden Brüder aus Breidau im Ringkampf dich messen,“ riefen alle durcheinader.

„Es gab eine Zeit, wo das Ringen mir Spaß machte,“ erwiderte der Fremde, „aber es ist lange her, daß ich es übte.“

„Versuch es nur!“ munterten sie alle ihn auf.

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Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/232&oldid=- (Version vom 1.8.2018)