Seite:Gretter der Starke.pdf/224

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

„Hier ist ein Beutel mit Gold! Keine geringe Summe! Nehmt hin! Das Gold ist viel vermögend in dieser Welt, eine zweite Waffe zu den anderen, die ihr bereits führt. Weise angewendet verdoppelt es die Kraft dessen, der es besitzt! – Gretter, dich muß ich ja ziehen lassen, denn die Verhältnisse sind stärker, als der Wille von uns Menschen. Aber dich, Illuge, mein Jüngster, mein Augentrost, dich geb ich freiwillig zum Opfer hin. Was ich an dir entbehren werde, bringe es zwiefach deinem Bruder zu an Trost und Beistand in seinem Leiden!“ –

Sie verließen die Halle, und traten auf den Hof hinaus, wo die Reit- und Packpferde standen samt den Hausleuten, welche Abschied nehmen wollten.

Gretter und Illuge grüßten sie freundlichst. Dann erhielten die Knechte Befehl, die Pferde thalabwärts zu führen. Mit der Mutter Hand in Hand folgten die beiden Brüder langsam nach.

„Auf der Drang-ey glaubt ihr euer Glück zu finden, meine Kinder, nein! nein! ihr werdet dort euren Tod finden. Beide werdet ihr zu ein und derselben Zeit sterben. Mein pochend Herz sagt mir das voraus. So teilt denn das gemeinsame Los. Niemand vermag seinem Schicksal zu entgehen!“ –

Asdis umarmte beide Söhne wiederholt unter heißen Thränen.

„Weine nicht liebe Mutter,“ beruhigte sie Gretter. „Das wird man jedenfalls von uns sagen können, wenn wir mit den Waffen in der Hand fallen, daß du Söhne an uns gehabt hast und nicht Töchter!“ –

So schieden die beiden Recken, und schritten auf ihre Pferde zu.

Asdis stand noch lange, und sah den Scheidenden nach, bis ihre liebe Gestalt in der Ferne verschwand. Dann kehrte sie zögernden Schrittes in ihr einsames Haus zurück, nun in Wahrheit eine Witwe! –

Den Brüdern hingen auch die Tropfen in den Wimpern, als sie so stille neben einander hinritten.

Gretter fühlte besonders tief die Schwere dieses Abschiedes. Langes Entbehren hatte ihn den Wert der Liebe schätzen gelehrt. Illuge kannte die Welt noch nicht und ihre Herzlosigkeit. Er sah ihr noch mit so viel Hoffnung entgegen.

Sie ritten nordwärts, und besuchten am Hrutafjord im Vidi- und im Vatnsthale nach einander alle Verwandten. Damit verging der Herbst.

Der Winter brach diesmal mit besonderer Heftigkeit herein, und sie eilten, an Ort und Stelle zu kommen. Ostwärts zum Skagafjord hin

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/224&oldid=- (Version vom 1.8.2018)