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Der kleine Gretter zog nun aus und trieb 50 alte Gänse vor sich her nebst einer Menge von Küchlein, denn es war Frühjahr und die Brutzeit vorüber. Das that er des Sommers manchen Tag. Aber bald war das Geschäft ihm leid. Die Gänschen waren dumm und träge und wollten nicht gehorchen. Der kleine Hirte verlor die Geduld, wurde zornig und schlug mit seinem Stecken auf sie los, sodaß er täglich weniger nach Hause brachte. Knechte fanden die kleinen Gänseleichen längs des Weges liegen und brachten sie dem Vater.

Asmund war sehr erzürnt, mehr noch über des Knaben rohe Gesinnung, als über den Verlust; denn es war klar, nur Mißhandlung hatte den kleinen Tieren die Glieder zerbrochen.

„Man wird dir dieses Handwerk legen, Bursche!“ – sagte der Vater.

„Jemand an schlechten Thaten hindern, ist Freundschaftsdienst,“ sagte der Knabe spitz und schlenderte fort.

„Halt! Bursch! Dir ist eine andere Arbeit zugedacht, wobei die Aufsicht näher liegt!“ –

„Jemehr man sich versucht, jemehr man lernt“, sagte der kleine Gretter, und stellte sich breitspurig vor den Vater hin. – „Was soll ich thun?“ –

„Du sollst meinen Rücken am Wärmfeuer kratzen“, sagte der Vater.

„Das ist zwar gute Arbeit, dabei werden die Hände warm, aber doch mehr Weiberwerk, als Mannesdienst“, sagte der Junge.

Indessen ein strenger Blick seines Vaters zwang ihn zur Pflicht.

Ein isländisches Wohnhaus bestand um das Jahr 1000 der Hauptsache nach aus drei Teilen, aus Halle, oder Wohn- und Empfangsraum, aus Schlafhaus und Feuerhaus, oft unter einem Dach vereinigt, oft auch getrennt. Das Feuerhaus enthielt in seiner Mitte, lang und schmal ausgezogen, die Feuerstelle, in einer Vertiefung des Estrichs angelegt und mit Feldsteinen rings eingefaßt. In dem sehr holzarmen Lande brannte hier das eine Feuer für alle Bewohner des Hauses. Hier wurde das Essen gekocht. Hier sammelten sich an den langen Winterabenden Herren und Knechte, Männer und Weiber. Hier an den Seiten des Langfeuers saßen auf niedrigen Stühlen oder beweglichen Bänken, oder an der Erde hockend die Leute. Man freute sich an dem Anblick der schönen, von Alters her heilig gehaltenen Flamme. Hier erzählte man sich von den vergangenen Tagen; hier prägte man sich die Geschlechtstafeln ein; denn

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Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)