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Gretter kam, auf diese Weise von der Heerde geführt, an das Haus Thorers, des Halbriesen, der als Knecht des Hallmund dieses Thal abhütete.

Thorer stand vor seiner Hütte, und empfing den Gretter freundlich. „Du bist Hallmunds Freund, ich weiß es, und darum auch der meinige,“ sagte Thorer, und reichte Gretter die Hand.

Gretter schüttelte sie, und antwortete: „Ich lebe von deiner Heerde, und schulde dir Dank. Aber der Mensch lebt nicht vom Brote allein. Ich habe ein Verlangen, mich auszusprechen. Darum laß uns gute Nachbarn werden, und einander besuchen!“ –

Thorer führte den Gretter in seine Hütte. Hier sah es wohnlich und sauber aus. Um ein helles Heerdfeuer saßen zwei jugendliche Frauengestalten.

„Meine Töchter,“ sagte Thorer, und rief die Mädchen herbei.

Sie traten vor, und reichten Gretter die Hand.

Nun setzte man sich auf die gebleichten Schädel geschlachteter Büffel, deren Hörner als Armlehnen dienten. In flachen Holzschalen wurde die Milch von Schafen gereicht, welche, leicht gegoren, einen angenehmen säuerlichen Geschmack hatte, und, in die Schalen gegossen, lebhaft aufschäumte. Die Mädchen sahen den Gretter mit großem Interesse an. Je seltener ein Mann in diese Einsamkeit kam, um so mehr war ihnen alles an diesem Fremdling merkwürdig. Besonders seine Worte! –

Gretter hatte viel von der Welt gesehen, und verstand es, gut zu erzählen. Gretter hatte viel in seinem Leben erduldet, und noch mehr gethan. Griff er in seine Erinnerung, so griff er in einen Schatz! –

Im Fluge vergingen die Stunden am Heerdfeuer.

Als er aufbrach, hieß es einstimmig und dringend: „Auf Wiedersehn!“ – –

Durch das mondbeglänzte Thal schritt Gretter, längs dem murmelnden Bach, seiner einsamen Hütte zu.

Nicht Stolz erfüllte seine Brust über den Eindruck, den er unverkennbar bei diesen Halbwilden hinterlassen. Ein unendliches Weh überfiel sein Herz. Er dachte daran, was er hätte in dieser Welt werden können, und was es nun war! – Nach Ruhm und Glück hatte er von Jugend auf gedürstet; Ruhm und Glück hatten ihn beständig geflohen! Was war er denn mehr, als ein Abenteurer, ein Ausgestoßener, ein Geächteter?! – –

Es füllten Thränen seine Augen, als er die Thür seiner Hütte aufstieß, und sich dort auf das einsame Lager warf.

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/189&oldid=- (Version vom 1.8.2018)