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seid Kinder der Sonne und zieht dem Lichte nach. Uns klopft froh das Herz, wenn hier oben der Schnee im Sturme wirbelt, und der Reif auf die Felsenstufen sich legt. Darum nennen die Menschen uns auch die Reifriesen. Wir haben unser Reich mitten zwischen den Gletschern!“ –

„Gretter, willst du thalabwärts steigen,“ sagte Hallmund, „so zeig ich dir eine Gegend, wo du hausen kannst. Sie bietet dir beides Sicherheit und Nahrung. Keines Menschen Fuß betrat jemals den Ort, und fette Schafe beweiden jene Triften. Du darfst von ihnen nehmen, denn sie sind mein.“

„Nenn mir den Ort,“ bat Gretter.

„Es ist das Geitland,“ (Geit zu deutsch Ziege) fuhr Hallmund fort, „und in seiner Mitte liegt ein verstecktes Thal, rings von Gletschern umgeben. Das Thal hat warme Quellen, und darum einen üppigen Graswuchs. Dort wohnt ein Halbriese, Namens Thorer, der zu meinen Knechten gehört, und mir die Schafe weidet. Er wird sich dir willig zeigen, und dich nicht hindern, wenn du von meiner Heerde lebst!“ –

Die Reifriesin aber trat herzu, und übergab dem Gretter einen blanken, kupfernen Kessel, nebst einem Feuerzeug, bestehend aus Stahl, Stein und Zunder.

„Hier, nimm dies Beides von mir als Gastgeschenk. Da ich nicht ferner für dich sorgen kann, so mußt du künftig dein eigener Koch sein. Dazu werden diese Geräte dir nützen!“ –

Gretter verabschiedete sich voll herzlichen Dankes, und stieg, von Hallmund geleitet, die Felsenpfade hinab.

Als er die Richtung nach Geitland hin gefunden hatte, nahm Hallmund Abschied.

Es war der letzte Händedruck, den sie wechselten. Beide sahen sich nie wieder.

Gretter ging immer weiter an Geitlands-Joekull vorbei, bis er an ein langes, schmales Stück Erde kam, welches von allen Seiten durch überhängende Gletscher eingeschlossen wurde. Er stieg in das Thal hinab.

Seine Wände hatten üppigen Graswuchs, durchsetzt mit kurzem Buschwerk. Die Thalsohle entlang, über blankes Gestein springend, floß ein klarer Bach. Die Luft hier war auffallend mild, weil erwärmt durch die heißen Quellen, welche allenthalben hervorbrachen. Sie schufen und erhielten dieses kleine Paradies, und verteidigten es gegen die Gletscher,

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Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/187&oldid=- (Version vom 1.8.2018)