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„Ruhe ist die Mutter der Genesung,“ sagte sie. „Legt euch!“ –

Die müden Helden streckten sich auf die weichen Polster.

Die Jungfrau wanderte nun zwischen beiden Lagern geschäftig hin und her, wusch die Wunden mit dem reinen Wasser des kühlen Bergquells, mischte die Salbe, und legte sie auf.

Bald kam der begehrte Schlaf in Gretters Augen. Er fühlte sich umgeben von wohlthuender Gemeinschaft. Er vertraute. Er schlief, erquickend und tief.

Die Wunden heilten, und der Sommer verlief. Vater und Tochter behandelten den Gast dauernd freundlich. Des Tags durchstreifte er mit Hallmund die Berge, und pflegte der Jagd. Abends am Feuer kürzten Saga und Sang die Stunden.

Aber, als der Sommer sich zu Ende neigte, sehnte sich Gretter nach der bewohnten Landschaft der Menschen zurück. Er wollte seine Freunde wiedersehen, sich mit ihnen zu beraten.

„Ich halte dich nicht auf,“ sagte Hallmund. „Du bist frei! Aber, wenn du wieder nach dem Südlande kommst, du kennst nun mein Reich, dann sprich bei uns vor!“ –

Gretter reichte Vater und Tochter, herzlich dankend, die Rechte. Dann schied er. Das Schwert um die Lenden, den Schild auf dem Rücken, den Speer, Eisen nach oben in der Faust, und, wie ein Stab, auf ihn sich stützend, so stieg er jene schmalen Felsenpfade wieder hinab, die er einst gekommen. Er wandte sich westwärts nach dem Borgarfjord, und von dort nach den Thälern am Breydafjord. Hier sprach er auf dem Hofe Ljaskogar bei seinem Vetter Thorstein Kuggasohn vor, der einst die merkwürdige Schellenbrücke von seinem Hofe zur Kirche hinüber gebaut, und einen Winter hindurch schon einmal Gretter geherbergt hatte.

„Deine Feinde, Gretter, wachsen an Zahl, und deinen Freunden hier im Westen entsinkt der Mut, dich zu herbergen. Daher rate ich dir, wende dich südwärts in die Myraharde. Dort ist Thorers Einfluß geringer! Dort wirst du Obdach finden!“ –

So sprach Thorstein Kuggasohn. Gretter beschloß seinem Rat zu folgen, und zog südwärts.

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Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)