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bluttriefendes Schwert am Moos der Felsenwand ab, und stieß es in die Scheide. Dann wandte er sich rückwärts, und schritt den Felsenpfad hinauf, dem anderen Ausgang der Klamm zu.

Hier sah er etwas Überraschendes.

Die riesige Gestalt eines Mannes lehnte dort an der Felsenwand, blutend aus vielen Wunden.

Gretter maß den Fremden mit fragenden Blicken.

Dieser regte sich nicht.

Gretter legte die Hand auf des fremden Mannes Schulter und fragte mit erhobener Stimme: „Wer bist du?“ –

„Hallmund ist mein Name,“ antwortete der Fremde.

„Hallmund?“ – – wiederholte Gretter, wie sich sammelnd über einer Erinnerung aus vergangenen Tagen.

„Ja, Hallmund! – Und, um dein Gedächtnis aufzufrischen, erinnere ich dich an den Kjoel! – Es sind jetzt drei Sommer her, da trafen wir am Fuße dieses Kjoel zusammen. Deine Hand griff dort in die Zügel meines Pferdes; ich aber zog sie an, daß du loslassen mußtest. Ich glaube, deine Finger haben dich an jenem Tage geschmerzt! – Auf diesen Schmerz legte ich heute ein Pflaster; und, ich denke, du kannst mit diesem Pflaster zufrieden sein!“ –

„Vollkommen!“ – fiel Gretter lebhaft ein, der sich jetzt jenes Tages genau entsann. „Vollkommen! – Du hast mir heute beigestanden, wie ein Kamerad und ein Held. Ich wünscht’ es ständ’ in meiner Macht, dir’s zu vergelten!“ –

„Komm mit mir in meine Berge,“ sagte Hallmund. „Teile Dach und Brot mit mir. Des Lebens hier auf der Heide wirst du ohnehin überdrüssig sein!“ –

„Ich bin’s,“ sagte Gretter. „Verrat, Nachstellung und Einsamkeit haben mir den Aufenthalt hier gründlich vergällt! – Laß uns zusammengehen, Freund!“ –

Sie gingen, die beiden wunden Männer, Schulter an Schulter, tiefer in die Berge hinein, und zum Balljoekul hinauf.

Im Herzen dieser Felseneinsamkeit, zu der keine menschliche Wohnung hinansteigt, welche scheu der Fuß der Tiere flieht, und nur die graue Moosflechte erklettert, liegt im ewig feuchten Bette die Brunnenstube für die Bewässerung der Thäler, für die Befruchtung der Werke fleißiger Menschenhand.

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/169&oldid=- (Version vom 1.8.2018)