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Gretter erstieg einen Felsen, der einen weiten Umblick gewährte, und spähte nach den Reisigen aus.

Sie kamen, in Waffen starrend, angeritten, volle 80 Mann.

Fliehen, obwohl den Tod vor Augen, nein, das wollte er nicht! Das thät’ nur ein Feigling! Er wollte kämpfen, und fallen wie ein Held! Aber, bevor er fiel, wollte er sein Leben so teuer, wie möglich, verkaufen. Er zog sich an den Eingang einer Klamm zurück, ein Felsentunnel, von hohen Steinwänden eingeschlossen. Der Eingang war nur doppelt mannesbreit, und darum leicht zu verteidigen. Seine Flanken waren gedeckt, aber sein Rücken war frei; und wehe, wenn er von hinten überfallen wurde! – Dann war sein Untergang gewiß! –

In demselben Augenblick kam Thorer mit allen seinen Leuten aufgeritten, stellte sie vor den Eingang der Klamm in Schlachtordnung, und redete sie also an:

„Ihr Männer, dort steht Gretter, mein Todfeind, der geächtete Mann! – Den sollt ihr mir heut niederschlagen! Das ist jetzt ein Leichtes, denn er steckt in einer Falle, und aus dieser Falle kommt er diesmal nicht heraus!“ –

Gretter stand mit seinem breiten Gliederbau am Eingang der Klamm, von einem dunklen Felsenthor umrahmt, auf seinen großen Schild gelehnt, ein wuchtiges Bild.

Er hatte die Anrede Thorers an seine Mannen vernommen, und rief nun spottend hinüber:

„Ihr Leute, hört auf mich! Die Brühe ist noch nicht geschlürft, auch liegt sie gleich schon im Löffel!“ – „Ihr habt es keinen kurzen Weg euch kosten lassen, hier herauf zu kommen. Aber, ehe wir scheiden, wird mancher von euch einen Denkzettel an sich tragen, den er sobald nicht vergessen wird!“ –

„Greift an, ihr Leute, und achtet der eitlen Drohung nicht!“ schrie Thorer.

Der Kampf begann. Er entbrannte heißer und heißer. Speere flogen herüber, hinüber, Schwertklingen kreuzten sich, Lanzen splitterten.

Gretter stand wie eine Mauer! –

Aber Thorer hatte seinen Vorteil erkannt. Er warf die Hälfte seiner Leute in den Rücken des Gretter an den anderen Ausgang der Klamm.

„Faßt ihn von hinten! – Hat er nicht vier Arme, dann fällt er!“ –

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/167&oldid=- (Version vom 1.8.2018)