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Diese Szene, in lustige Reime gebracht, wurde später unter dem Namen Grettersfoersla, d. h. Grettersfahrt, ein sehr beliebter Volksgesang auf Island.

Als die Kleinbauern lange hin- und hergestritten hatten, was mit dem Gefangenen zu thun sei, kamen sie endlich doch zu dem Entschluß: „Wir wollen das Reugeld an ihn wagen, und ihn gleich hier im Walde aufknüpfen!“ –

Als sie an die Vorbereitungen dazu gingen, sahen sie einen Trupp von sechs Reitern das Thal herauf kommen. Einer davon trug farbige Kleider.

„Das ist Thorbjoerg, die Frau unseres Häuptlings Vermund,“ sagten die Bauern.

Sie hatten recht.

Thorbjoerg ritt in Begleitung von Knechten zu ihrer Saeter hinauf.

Als sie den Haufen der Bauern oben zusammen stehen sah, bog sie vom Wege ab, und kam auf die Leute zugeritten, welche ehrerbietig auseinandertraten.

„Was für einen Thing haltet ihr hier?“ fragte sie scharf.

Die Männer waren durch dies eingeleitete Verhör nicht überrascht, denn Thorbjoerg war wegen ihres männlichen und klugen Verstandes bekannt, und in Abwesenheit ihres Mannes kommandierte sie nicht bloß ihren Hof, sondern auch die Harde, d. h. ihres Mannes Häuptlingsbezirk.

Die Bauern erzählten das Vorgefallene.

„Und wie heißt dieser geknebelte Mann hier?“ –

„Wir wissen es nicht!“ –

Gretter nannte nun selbst seinen Namen.

Die Bauern sahen ihm verdutzt ins Gesicht, als sie seinen Namen hörten.

„Was bewog dich, Gretter,“ fragte Thorbjoerg, „mit Unfrieden gegen meine Thingmänner vorzugehen?“

„Herrin! man kann nicht immer höflich austreten, wenn einem der Magen knurrt, und von irgend etwas muß ich doch leben!“ –

„Es war ein Mißgeschick für dich, daß diese armseligen Schelme dich überrumpelten und banden.“

Dann, zu den Bauern gewandt, fuhr Thorbjoerg fort: „Was gedenkt ihr mit eurem Gefangenen zu machen?“ –

„Wir wollten ihn soeben hängen,“ riefen sie.

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Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/151&oldid=- (Version vom 1.8.2018)