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Sie umschlichen den Wald, und nahmen die Zeit wahr, wo Gretter außerhalb der Hütte, auf den weichen Moosteppich hingestreckt, seinen Mittagsschlaf hielt. Die tiefen Atemzüge, die schlaff herabhängenden, wuchtigen Arme, alles verriet das entwichene Bewußtsein.

Diesen Augenblick hielten die Bauern für geeignet zu einem Angriff.

Ihr Kriegsplan war folgender: Zehn Mann werfen sich über den Schlafenden, und drücken ihn nieder, während die übrigen es versuchen, ihm Hände und Füße zu binden.

Gesagt, gethan! –

Aber Gretter, im rechten Augenblick erwachend, schleuderte die zehn Mann, welche ihn umklammern wollten, von sich. So kam er auf die Kniee. In dieser Stellung gelang es den Bauern, Taue um seine Füße zu schlingen. Er stieß zwar mit den Füßen nach den Angreifern, so wuchtig, daß zwei der Getroffenen in Ohnmacht fielen; aber die Übermacht der Gegner war doch zu groß, und in ihnen arbeitete der Stachel der Erbitterung, sodaß sie schließlich es fertig brachten, den Gretter zu binden. –

So lag denn der Riese geknebelt im Grase, und um ihn herum standen die 30 Bauern ratschlagend, was nun zu thun sei. –

Sie kannten glücklicherweise Gretters Namen nicht, und wußten nicht, daß er ein vogelfreier Mann war, auf dessen Kopf ein Preis von 96 Lot Silber stand. Das aber wußten sie, daß einen Mann zu töten, den das Gesetz schützt, auf Island doch unter Umständen eine sehr teure Sache ist.

Daher entspann sich unter ihnen folgendes Gespräch:

„Helge, nimm du ihn nach Hause, und verwahre ihn, bis das Gesetz gesprochen hat!“

Helge antwortete: „Ich habe für meine Hausknechte dringendere Sachen zu thun, als diesen unbändigen Mann zu bewachen!“ –

„Thorkel, nimm du ihn mit dir!“ –

„Was?“ rief Thorkel, „Ich und mein Weib, wir wohnen auf einem einsamen Hofe allein! – Nein, in solche Grube laß ich mich nicht locken!“ –

„Thoralf, dann thu’ du’s! – Es ist nur bis zum nächsten Thing! – Du mußt ihn aber gut bewachen, und gebunden wieder abliefern, wie du ihn bekommen hast!“

„Ich bedanke mich dafür!“ – sagte Thoralf. „Bei dem Geschäft ist mehr Plag’, als Nutzen. Außerdem übersteigt das meine Kraft!“ –

Ähnliche Ausflüchte machten alle Bauern, welche nach einander aufgefordert wurden.

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/150&oldid=- (Version vom 1.8.2018)