Seite:Gretter der Starke.pdf/115

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wird es nun lebendig. Man trägt herbei, was brennbar ist. Der Funke teilt sich mit. Die Glut schwillt an. Die Flamme bricht hervor. Die Nacht wird hell und erquickende Wärme strahlt an die starren Glieder. Alles bricht im lauten Jubel aus und preist den Gretter.

„Dir ist niemand gleich!“ so rufen sie alle. „Du bist ein Held!“

Gretter wirft sein Eiskleid ab, schüttelt aus Haar und Bart den Schnee und streckt sich unter warmen Decken aus, bis Träume seine Seele umspielen, in denen Wogen branden, Flammen zischen und eine tapfere Menschenseele, zwischen beiden kämpfend, untergeht.

Der Tag erwacht, man treibt zum Aufbruch, zumal das Wetter gut und der Wind günstig war.

Als die Matrosen vom Lande abstießen und die Segel gesetzt hatten, entstand bei den Kaufleuten der Wunsch, quer über den Sund zu fahren, und den Platz samt den Männern aufzusuchen, von denen Gretter gestern den Feuerbrand herübergeholt hatte.

Wer malt aber ihr Erstaunen, als am jenseitigen Ufer kein Haus mehr zu sehen war, sondern nur noch ein Aschenhaufen, untermischt mit verkohlten, menschlichen Gebeinen.

Offenbar war in verwichener Nacht das Haus hier mit allen Leuten, welche darin gewohnt hatten, bis auf den Grund niedergebrannt.

Woher war das gekommen? –

Man denke an das offene Feuer mitten in dem Hause, an die Strohbündel dicht dabei, an die trunkenen Männer, auf diesen Bündeln liegend, zechend, und man wird leicht begreifen, wie da ein Brand entstehen, und um sich greifen konnte.

Thorer’s Söhne gingen trunken und schlafend im Feuer zu Grunde durch ihre eigne Schuld.

Aber die Kaufleute wandten die Sache anders.

Es ist die Art gemeiner Seelen, die Pflicht der Dankbarkeit zu hassen, und sie gerne von sich abzuwälzen, sei auch das Mittel dazu noch so niedrig und gemein.

Die Kaufleute waren dem Gretter ihren Dank noch schuldig für seine kühne That von gestern! – Wie ihn zahlen? –

Ihr böses Herz gab es ihnen ein, als sie die Brandstätte umstanden, den Helden, dem sie sich verpflichtet sahen, herabzudrücken zum Verbrecher, den sie anklagen konnten.

Und ihr Mittel dazu war das giftdurchtränkte Wort.

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)