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um eine Flamme aus dem Fünkchen groß zuziehen, dazu brauchte man trockenes Reisig. Dieses fehlte unsern Reisenden hier völlig! – Woher sollten sie also Feuer nehmen? –

Man schickte sich an, ohne etwas Warmes genossen zu haben, in wollene Decken gewickelt, in den Ecken des unfreundlichen Raumes zur Nachtruhe sich hinzustrecken.

Da bemerkte einer der Reisenden, durch eine Thürspalte in die Nacht hinauslugend, einen Feuerschein in der Ferne.

„Dort drüben brennt ein Licht!“ meldete er.

„Ein Licht?“ wiederholten die Reisenden. Und, wie ein Freudenschrei, ging das Wort durch den Raum: „Ein Licht!“ –

„Ja, ja, ein Licht, ein Feuer!“ sagte einer der Matrosen. „Aber es ist weit; es ist jenseit des Sundes!“ –

„Wer uns von dort her einen Feuerbrand herüberholen könnte! – Der wäre ein Wohlthäter und ein Held!“ – So sagten die Kaufleute. „Und reich genug wollten wir ihn lohnen!“ –

„Könnt ihr nicht mit dem Schiff hinüberrudern?“ drängten die Kaufleute die Matrosen.

„Nein Herr!“ „Das ist ganz unmöglich,“ sagten die Matrosen. „Die Nacht ist rabenschwarz, der Sturm heult, der Sund ist breit und die Wellen gehen hoch! – Es ist ganz unmöglich!“ –

„In alter Zeit,“ warf Gretter ein, „hat es gewiß Männer gegeben, die das nicht für unmöglich hielten; die vor solch einem Wagestück nicht zurückbebten!“ –

„In alter Zeit!!“ – „Ja, was nützt uns das?“ sagten die Kaufleute. „Heut! In dieser Stunde! wo uns die Zähne im Frost zusammenschlagen und der hungernde Magen bellt! Heut, schaff’ uns den Helden zur Stelle, der uns den erwärmenden Feuerbrand herüberbringt!“ –

„Es ist kein Kunststück, das zu thun!“ warf Gretter ein.

„Willst du es wagen? Gretter!“ – „Willst du es wirklich?!“ riefen alle, aufspringend.

„Man sagt, du seist der stärkste Mann auf Island! Traust du dir das zu?“ –

„Ich trau’ mir’s zu! – Ja!“ – – – „Aber ein Gefühl in meiner Brust hält mich davon zurück! – Ich fürchte, wenn die That auch groß ist, mein Lohn wird klein und schlecht sein!“ –

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)