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meinen letzten Willen aufzusetzen, und am Tage Ihrer Geburt, Sie zur Erbin meines ganzen Vermögens ernennen. Doch da sich meine Gesundheit bald hierauf merklich besserte, so fand ich gut, diesen Anschlag nicht sogleich ins Werk zu setzen. Ihre Schönheit entwickelte sich hierauf nach und nach, wie eine Rose, die aus einer kleinen Knospe hervorblühet. Man konnte Sie nicht ansehen, ohne Ihnen gut zu seyn. Sie waren das artigste kleine Fräulein, das jemals gewesen ist; ihre verführerischen Augen sprachen schon, ehe Sie den Gebrauch der Zunge kennen lernten. Alle Ihre Minen waren sinnreich und zeugten von einem lebhaften und durchdringenden Geiste. Ich erinnere mich noch mit vielem Entzücken derjenigen Liebkosungen, die Sie mir erwiesen, wenn ich Ihnen eine kleine Spielerei verehrte. Sie hatten mich lieber als ihren Papa. Diese Gewogenheit behielten Sie so lange für mich bei, bis die Jahre kamen, in welchen das Frauenzimmer anfängt sich zu schämen.

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Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N *** in Briefen entworfen. Band 3. Michael Gottlieb Griesbach, Eisenach 1762, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grandison_der_Zweite_3.pdf/60&oldid=- (Version vom 1.8.2018)