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Thron zu setzen, so ist es ihnen leicht, die Begriffe von Ehre und Tugend nach ihren Gutdünken einzurichten, folglich ist die Reputation eines Frauenzimmers allezeit in Gefahr, wenn sie einem Rechtsgelehrten anvertrauet wird. Ihre Treue und ihre Eidschwüre sind wie die Lufterscheinungen, die der geringste Wind verjaget. Sie lieben indessen das schöne Geschlecht, wie die Schmetterlinge die Blumen, diese setzen sich in einem Garten bald auf dieses bald auf jenes Blümchen, verlassen solches aber hierauf wieder und kehren niemals zu eben demselben zurück. Die Frau eines Rechtsgelehrten ist eine unglückliche Creatur, in den ersten Monat der Ehe muß sie alle Advocatenstreiche wissen und ausüben können, wenn sie nicht eine sehr armselige Figur machen will. Sie muß lügen, sie mag wollen oder nicht. Ihr Mann darf niemals zu Hause seyn, wenn der Client mit leerer Hand erscheinet; er muß beschäftiget seyn, wenn der Cliente ein Lamm kneipt, daß es schreien muß; läßt er aber einen Ochsen brummen, so ist der

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Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N *** in Briefen entworfen. Band 3. Michael Gottlieb Griesbach, Eisenach 1762, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grandison_der_Zweite_3.pdf/274&oldid=- (Version vom 1.8.2018)